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Reus rennt deutschen 100-Meter-Rekord - Rehm überrascht

26.07.2014, 14:49

Ulm - Julian Reus hat mit einem deutschen 100-Meter-Rekord am ersten Tag der Leichtathletik-Titelkämpfe geglänzt, Paralympics- Sieger Markus Rehm sprang mit einer Beinprothese so weit wie kein anderer.

Der Wattenscheider Reus rannte in Ulm die Bestmarke von 10,05 Sekunden bereits im Halbfinale, ehe er eine gute Stunde später in windunterstützten 10,01 Sekunden seinen Sprinttitel verteidigte. Damit verbesserte Reus einen Uralt-Rekord: Der Magdeburger Frank Emmelmann hatte 1985 in Ost-Berlin 10,06 Sekunden benötigt. "Das war ein perfekter Lauf. Ich freue mich riesig", meinte der neue Rekordhalter freudestrahlend.

Seine Zeit wurde erst mit 10,06 Sekunden angezeigt, dann aber bei erlaubten 1,8 Meter/Sekunde Rückenwind auf 10,05 korrigiert. Seine Bestmarke stand bis dahin bei 10,08 Sekunden. Der Junioren-Europameister von 2007 gilt schon lange als Riesentalent, war aber immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen worden. Im Finale gab es dann ein Fotofinish: Der Berliner Lucas Jakubczyk kam zeitlich mit Reus ins Ziel. Bei den Frauen entthronte Tatjana Pinto aus Münster in 11,20 Ex-Europameisterin Verena Sailer aus Mannheim (11,23).

Die über 10 000 Zuschauer im Donaustadion blickten auch gespannt auf den Weitsprungwettbewerb, in dem erstmals der unterschenkelamputierte Rehm antrat - und für einen Paukenschlag sorgte: Der Leverkusener mit der Beinprothese flog im vierten Versuch auf 8,24 Meter. Er stellte damit nicht nur einen Behinderten-Weltrekord auf, sondern sicherte sich auch das EM-Ticket. "Unglaublich. Ich habe immer noch Herzklopfen", sagte Rehm bei der Pressekonferenz nach seinem Coup.

Ex-Europameister Christian Reif aus Rehlingen kam als Zweiter auf 8,20 Meter. Der EM-Titelverteidiger Sebastian Bayer (Hamburg) enttäuschte als Fünfter mit 7,62. Rehm wird beim Europäischen Leichtathletik-Verband (EAA), der sich mit dem Fall bisher nicht beschäftigt hat, noch für einige Diskussionen sorgen. Die Zeit für ein biomechanisches Gutachten bis zur EM ist wohl zu knapp, der DLV sieht Rehms Start als regelkonform. "Ich möchte wirklich auch Klarheit haben für mich und andere Athleten", sagte er.

Nicht nur wegen Topsportlern wie Reus, Rehm und die Kugelstoß-Asse Christian Schwanitz und David Storl blickt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) voller Zuversicht Richtung Europameisterschaft. Für Zürich (12. bis 17. August) rechnet Sportdirektor Thomas Kurschilgen mit einem Aufgebot von "90 plus x" Athleten, so viele wie seit der Heim-WM 2002 in München nicht mehr. Mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2015 in Peking und die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro sei die erfolgreiche Neuformierung der Nationalmannschaft in vollem Gange.

Obwohl derzeit verletzte Topathleten wie Weltmeister Raphael Holzdeppe, Björn Otto und Silke Spiegelburg (alle Stabhochsprung) und Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll (Babypause) fehlen, ist der DLV optimistisch, ein ähnliches Ergebnis wie vor vier Jahren in Helsinki mit 16 Medaillen (davon sechs goldene) zu holen.

Für die junge Generation steht auch Shanice Craft: Einen Tag nach ihrem dritten Platz im Kugelstoßen feierte die 21-jährige Mannheimerin ihren ersten Titelgewinn im Diskusring mit der persönlichen Bestleistung von 65,88 Metern.

Wieder einmal einen herben Rückschlag musste Hammwerferin Betty Heidler hinnehmen: Die 30-Jährige von der LG Eintracht Frankfurt verpasste ihren zehnten Titel hintereinander und blieb als Zweite mit 69,83 Metern fast zehn Meter unter ihrem Weltrekord. Damit siegte erstmals bei nationalen Meisterschaften Heidlers Clubkollegin Kathrin Klaas mit 72,08. "Heute hat nichts geklappt, überhaupt gar nichts", meinte Heidler.

Beim ausgelagerten Kugelstoß-Wettbewerb hatte es am Freitagabend eine tolle Premiere auf dem Münsterplatz gegeben. 4000 Zuschauer unterm höchsten Kirchturm der Welt sahen dabei die Favoritensiege von Vize-Weltmeisterin Schwanitz und Doppel-Weltmeister Storl. Mit 19,69 Metern gewann die 28-Jährige vom LV 90 Erzgebirge.

Bei Storl hatten alle auf den ersten 22-Meter-Stoß seiner Karriere gehofft, an dem der Chemnitzer bereits seit Wochen kratzt. Zwei Tage vor seinem 24. Geburtstag holte er seinen vierten Titel hintereinander mit 21,87 Metern. Bei der EM sind Schwanitz und Storl jedenfalls die Topfavoriten. "Ich will schon meinen Titel verteidigen, das ist mein Antrieb und mein persönliches Ziel", sagte Storl. "Doch mein Augenmerk lege ich auf die Weite. Wenn ich 22 Meter stoße, ist es egal, welchen Platz ich erreiche."