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Geteiltes EM-Fazit: 22 Medaillen, keine Becken-Euphorie

24.08.2014, 13:30
Paul Biedermann genoss die Europameisterschaften in Berlin. Foto: David Ebener
Paul Biedermann genoss die Europameisterschaften in Berlin. Foto: David Ebener dpa

Berlin - Die deutschen Beckenschwimmer um Paul Biedermann und Marco Koch erfüllten die Pflicht, aber zur ganz großen EM-Euphorie reichte es beim Heimspiel nicht. Wasserspringer und Freiwasser-Asse schraubten die Zahl der Medaillen auf insgesamt 22 hoch, sechs davon waren aus Gold.

Prestigeträchtige Erfolge im Becken waren dagegen überschaubar. Biedermann führte die Freistil-Staffel am Wochenende zu Gold, dazu überraschte Rückenschwimmer Christian Diener mit Silber. Sechsmal Edelmetall, darunter zweimal Gold, lautete die Ausbeute im stimmungsvollen Berliner Velodrom.

Nach der historischen Medaillenjagd bei der Berliner EM von 2002 mit insgesamt drei Dutzend Plaketten gab es diesmal die schlechteste EM-Bilanz im Becken in nicht-olympischen Jahren seit der Wiedervereinigung. Titelkämpfe in Olympia-Jahren haben weniger Prestige, da sie viele Nationen und Spitzenschwimmer auslassen.

Doch wenn gejubelt wurde, dann richtig. Robin Backhaus, Yannick Lebherz, Clemens Rapp und der überragende Schluss-Schwimmer Biedermann sorgten mit ihrem Gold-Coup über 4 x 200 Meter Freistil für die größte EM-Party. "So macht das Spaß mit den Fans, mit der Kulisse im Rücken. Einfach schön", schwärmte Biedermann. Mit dem Lagen-Quartett kam er nur auf Rang vier.

Auch die Funktionäre spürten beim starken Biedermann-Auftritt "Spannung pur und Gänsehaut" auf der Tribüne. "Top. Das Berliner Publikum, die Stimmung, ein volles Haus, eine tolle Atmosphäre, dazu gute bis sehr gute Leistungen", bilanzierte Leistungssportdirektor Lutz Buschkow. Auf der Route gen WM 2015 in Kasan/Russland und erst recht zu den Sommerspielen 2016 in Rio stehen vor allem für das Beckenteam aber noch große Herausforderungen an. Schon jetzt Extraklasse und Nummer 1 bei der EM: Florent Manaudou (Frankreich) und Adam Peaty (Großbritannien) mit je vier Titeln.

Die deutsche Gesamtbilanz stimmte aber auch ohne Bonus-Medaillen aus dem Becken. Die 14 bis 19 anvisierten Medaillen wurden im Jahr eins nach dem Rücktritt von Olympiasiegerin Britta Steffen trotzdem klar übertroffen. "Das war gute Werbung für den deutschen Schwimmsport", betonte Präsidentin Christa Thiel. Am Sonntag zum Abschluss von zwölf EM-Tagen bezifferte sie den Etat auf fünf Millionen Euro, eine schwarze Null bleibt. Zwischen 50 000 und 60 000 Zuschauer kamen zu den 64 Entscheidungen.

Vor nur spärlich besetzten Rängen in Grünau verdiente sich das Freiwasserteam um Rekordweltmeister Thomas Lurz mit sechs Medaillen in sieben Rennen mehr Meriten als erwartet. Die Wasserspringer um den dreimaligen Heimsieger Patrick Hausding lagen mit zehn Plaketten in elf Wettbewerben auch weit über dem Soll. "Es war durchweg eine super EM", sagte der beste deutsche Starter.

Hausding machten seine Festspiele "tierisch Spaß", wenngleich er am Schluss-Wochenende nach vier eigenen Medaillen als Vierter vom Turm leer ausging. Dafür sorgten Sascha Klein mit Bronze vom Turm und Tina Punzel/Nora Subschinski im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett mit Silber für die nächsten Erfolge. Im Einzel reichte es für Subschinski in der letzten Entscheidung überraschend zur Bronze.

Lautstark gejubelt wurde zum EM-Ausklang auch im benachbarten Velodrom. Nachdem Koch mit Gold über 200 Meter Brust, Biedermann mit Silber über 200 Meter Freistil, Philip Heintz mit Silber über 200 Meter Lagen und Jan-Philip Glania mit Bronze über 100 Meter Rücken in die Top-Ränge geschwommen waren, überraschte Diener mit Platz zwei über 200 Meter. "Nachdem ich angeschlagen habe, sind alle Sterne vom Himmel gefallen", erklärte der 21-Jährige. Steffen Deibler verpasste dagegen auf Platz fünf über 100 Meter Schmetterling die ersehnte erste internationale Langbahn-Medaille erneut knapp. Insgesamt verbuchten die Beckenschwimmer fünf vierte Plätze.

Auch seine Teamkolleginnen gingen leer aus. Am nächsten kam noch Dorothea Brandt über 50 Meter Brust, die als Fünfte 18 Hundertstelsekunden zu langsam war. Steffens Rücktritt war erwartungsgemäß nicht aufzufangen. Die Olympiasiegerin trat am Rande der Titelkämpfe gelöst auf, ihr Freund Biedermann war für Chef-Bundestrainer Henning Lambertz ein "absolutes Vorbild".

Lambertz freute sich über mehr als 40 Prozent bessere EM-Zeiten als bei der DM, dazu schafften mehr als 80 Prozent seiner Semifinalisten auch die Quali für die Endläufe. Dagegen stieß Weltrekordler Biedermann auf, dass an seinem Verzicht über die 100 Meter Freistil zugunsten der Staffeln von außen herumgemäkelt wurde.

"Die Leute sollten schon mal anfangen, mir zu vertrauen. Ich weiß am besten, was mir gut tut und was nicht", erklärte der 28-Jährige. Nach drei Wochen Trainingsausfall im EM-Vorfeld war er nach zwei Einzelstarts "einfach platt". Doch seine packende Aufholjagd beim Erfolg von Robin Backhaus, Yannick Lebherz und Clemens Rapp zu Gold machte Lust auf WM und Olympia. "Dafür haben wir ihn auch - den besten Mann der Welt", erklärte Backhaus.