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Baumbestand Kleinkrieg im Kleingarten

Den Bestand stehen lassen oder gleich die Säge ansetzen? Nun beschäftigt ein Fall aus Calbe auch das Gericht.

01.12.2015, 01:03

Calbe l In der Adventszeit freuen sich die Menschen über die funkelnden Weihnachtsbäume auf den Märkten oder sie ziehen selbst los, um sich für die Weihnachtstage ein besonders schönes Exemplar für das heimische Wohnzimmer auszusuchen. Im Kleingartenverein „Feierabend“ zwischen Großer Mühlenbreite und Bahnhofstraße sorgen allerdings Nadelbäume seit mehr als zwei Jahren für jede Menge Krach.

„Aus meinem Kleingarten sollen alle Nadelbäume entfernt werden“, wendet sich Bernhard Sowa kopfschüttelnd an die Redaktion. Der Barbyer ist eigentlich stets gern in seinen Kleingarten in die Saalestadt gekommen. Doch seit ungefähr zwei Jahren ist das Verhältnis zum Vorstand zerrüttet. „Einigen Mitgliedern wurde schon ein anwaltliches Schreiben zugestellt, dass eine Ersatzmaßnahme in Aussicht stellt, wenn man dem Beschluss zum Fällen der Nadelbäume nicht nachkommt“, sagt Sowa.

Grundsätzlich haben Nadelbäume, überhaupt Waldbäume, in Kleingärten nichts zu suchen, da sie zu hoch wachsen. Das ist in der Gartenordnung des Verbandes der Gartenfreunde Schönebeck und Umgebung, in dem auch die Sparte „Feierabend“ Mitglied ist, so festgeschrieben. Demnach hat ein Pächter spätestens mit Aufgabe seines Garten, also bei Pächterwechsel, entsprechende Gehölze zu beseitigen.

„Viele der Bäume stehen seit Jahrzehnten dort, und Knall auf Fall sollen sie plötzlich sofort raus, unabhängig von einem Pächterwechsel“, schildert Bernhard Sowa den Sachverhalt, der ihn auf die Palme bringt. „Zunächst sollte auf das sofortige Fällen verzichtet werden, wenn dafür die entsprechenden Gartenmitglieder eine Kaution zum Absichern der Baumfällarbeiten hinterlegen würden“, zeichnet Sowa die Entwicklung nach. Da sich dafür keine Mehrheit fand, wurde auf diese Variante verzichtet.

In einer im Oktober 2014 einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung ließ sich der Vorstand, der wegen des Streits mit Rücktritt liebäugelte, in seinem Amt bestätigen und forderte wiederum die anwesenden Mitglieder auf, über das Entfernen sämtlicher Nadelbäume aus der Gartenanlage abzustimmen. Nun folgte eine Mehrheit dem Begehren des Vorstandes. Doch die Gültigkeit des Mitgliederbeschlusses zweifeln sowohl Bernhard Sowa als auch weitere Pächter an, da Formvorschriften nicht eingehalten worden seien.

Der Streit zwischen einigen Pächtern und dem Vorstand schaukelte sich weiter hoch. Begriffe wie Verleumdung, üble Nachrede, Abmahnungen und disziplinarische Maßnahmen machten die Runde und machen aus einem Vereinsfrieden einen verbalen Vereinskrieg.

Bernhard Sowa ärgert es, dass sich Vereinsvorsitzender Dieter Müller zwar selbst auf die Gartenordnung berufe aber gleichzeitig mehrfach in der eigenen Parzelle gegen sie verstoße. Grund seines Anstoßes ist eine Thuja-Hecke, die weit über die zulässigen 1,10 Meter hoch ist und verbotenerweise als Abgrenzung zum Nachbargarten verlaufe. „Nur bestimmte Gartenmitglieder sollen ihre Nadelbäume aus ihren Parzellen entfernen, er mit seiner Hecke, die ein Nadelgehölz ist, stellt jedoch eine Ausnahme dar, dieser Zustand sei untragbar, so Sowa.

Dieter Müller verweist auf Nachfrage im Falle von Widersacher Bernhard Sowa auf ein schwebendes Gerichtsverfahren. Drei protokollarisch festgehaltene Beschlüsse von Mitgliederversammlungen würden das Fällen der Nadelbäume beinhalten. Müller begründet die Fällung mit schriftlichen Beschwerden von Mitgliedern, die durch die hohen Bäume eine erhebliche Gefahr für ihr Leben und ihre Sachwerte bei Stürmen mit Orkanstärke fürchten. Zudem verweist er auf die Festlegungen des Kreisverbandes und des Bundeskleingartengesetzes. „Nadelbäume sind in Kleingärten grundsätzlich nicht erlaubt. Punkt“, sagt Müller und setzt nach: „Meine Thuja ist kein Nadelbaum“. Eine Festlegung zu Hecken sei weder vom Vorstand getroffen worden noch sei dazu ein Beschluss der Mitgliederversammlung existent.

„In der Novellierung unserer Gartenordnung haben wir kürzlich festgelegt, dass ein Pächter bei über sechs Meter hohen Bestandsgehölzen deren Standsicherheit nachzuweisen hat“, sagt Karin Libbe, Vorsitzende des Verbands der Gartenfreunde Schönebeck und Umgebung. „Damit wollen wir Schäden von immer stärker werdenden Stürmen minimieren.“ Ihr sei der Calbenser Streitfall durchaus bekannt, doch ob ein Verein alle Nadelbäume einer Anlage noch vor dem vorgeschriebenen Pächterwechsel durchführt, liege in seiner Hand.

Auch der Landesverband der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt positioniert sich eindeutig zu diesem Thema. Wildwuchs von Waldbäumen in Kleingärten gilt es einzudämmen, denn in der Vergangenheit sei bei diesem Thema viel gesündigt worden. „Eine Tanne oder eine Eiche beeinträchtigt auf Dauer die Funktion eines Kleingartens“, heißt es. Doch er macht auch klar, dass es dabei nicht um eine „Hau-Ruck-Aktion und ein Fällen über Nacht“ gehe. „Man sollte beispielsweise den Wechsel eines Pächters nutzen, um die entsprechende Parzelle in Ordnung zu bringen. Augenmaß gehört dazu, um das durchzusetzen. Allein mit „preußischem Ordnungssinn und im Befehlston“ sollte kein Kleingärtnervorstand handeln.