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Fest mit Tradition Vor dem Reiten gehts ins Grüne

Der traditionelle Pömmelter Volksfest-Auftakt heißt „Grünes holen“.

20.06.2016, 14:51

Pömmelte l Das Fest begann mit einer Wasserschlacht. Als Freitagnachmittag der Kremser auf dem Felddamm war, der von Pömmelte nach Zackmünde führt, öffnete der Himmel alle Schleusen. Ein Gewitterguss brach auf die Frauen, Männer und Kinder herein, der nicht von Pappe war. „Das war vielleicht sechs Kilometer entfernt. Ich habe die Zeit zwischen Donner und Blitz gezählt“, sagte Tino Schoenebaum, der zusammen mit Vanessa Riemer auf dem Kutschbock saß. „Nur gut“, sinnierte er, „dass Thea und Leandro zu alt und abgeklärt sind.“ Damit meinte er seine beiden 21 und 18 Jahre alten Pferde, die so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann. Im weiteren Sinne waren ihre Spezies die Hauptakteure, da das Pömmelter Volksfest sich in erster Linie um das Ringreiten dreht.

Nach alter Tradition haben die „Grünes Holer“ eine „One-Man-Band“, einen Alleinunterhalter, an Bord. Der heißt alle Jahre wieder Sascha Wenzel, kommt aus Glinde und spielt das Akkordeon. „Ich habe gefühlt 136-mal ‚Köhlerliesel‘ gespielt“, grinste Sascha, der dem Trupp auch bei solchen „Katastrophen“ wie Gewittern musisch umsorgt.

Im Zackmünder Busch angekommen strebten Jung und Alt zielstrebig in den Wald, um zu hacken und zu sägen, dass die Heide wackelte. „Wir schmücken Samstagmorgen den Ringreitgalgen damit“, erklärte Werner Riemer von der Ringreit-Interessengemeinschaft. Die bis zu drei Meter langen Pappelzweige wurden um die Ringreit-Pfosten und die quer liegende Holzleiter gewunden. So dass es ordentlich aussah, beim 159. Ringreiten.

Wobei die Tour in den Zackmünder Busch mehr als nur ein praktischer Vorgang war: Er ist seit Jahrzehnten Ritual, mit Musik und geistigen Getränken auf der Rückfahrt. (Was Ortsbürgermeister Thomas Warnecke allerdings anders sieht: „Geistige Getränke? Wir haben nur Bier und Cola an Bord!“)

Wie sich Werner Riemer erinnerte, hatten früher Kinder dabei nichts zu suchen. „Wir durften erst mitkommen, als wir älter waren.“ Auch galt das Mitmachen beim Ringreiten als unschicklich. Vor 50, 60 Jahren war dieser Männersport den gestandenen Kerlen vorbehalten.

Heute versuchen die Pömmelter freilich, den Nachwuchs für ihre Nachfolge zu erwärmen. Und der war begeistert bei der Sache. Der Jüngste war am Freitag Isaak Fabian mit gerade mal acht Lenzen.

Als man in Pömmelte erstmals nach den Ringen stach, hießen europäische Monarchen noch Napoleon III, Zar Alexander II. oder Queen Victoria. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Das Ringreiten fand zum 159. Mal statt.

Sogar im letzten Krieg hatte man keine Pause gemacht. Die offizielle historische Gründungsinitiative lautet so: Vor 160 Jahren waren ein paar junge Pömmelter Burschen vom Breitenhagener Ringreiten so beeindruckt, dass sie es in Pömmelte einführten. Es war die Zeit, als gepflasterte Straßen die Ausnahme bildeten. Wozu auch Pömmeltes Dorfstraße gehörte, die sogar erst Mitte der 1990er Jahre in Form gebracht wurde. Bis dahin fand auch das Ringreiten am Fuße der Kirche, heute auf dem Sportplatz statt.

Diese bäuerliche Tradition überdauerte auch Pömmeltes „Industriephase“ als Bergbaudorf, die die Spannungen zwischen Einheimischen und Zugezogenen verschärfte. Heute pflegt man das Ringreiten als Volksfest drei Tage lang.

Den ersten Platz beim Ringreiten belegte Wolfgang Schoenebaum aus Gnadau, den zweiten und dritten die beiden Pömmelter Matthias Becker und Jörg Schäfer. Es nahmen 38 Reiter teil.