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Türkische Armee Einmarsch in Syrien

Mit US-Vizepräsident Biden hat die Türkei hohen Besuch. Doch eine türkische Offensive in Syrien überstrahlt die Visite.

24.08.2016, 23:01

Istanbul (dpa) l Genau 40 Tage nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei steht US-Vizepräsident Joe Biden vor den noch immer von Bombeneinschlägen gezeichneten Außenwänden des Parlaments in Ankara. Doch weil an der türkischen Grenze Bomben fallen, spielt sein Parlamentsbesuch in den türkischen Fernsehnachrichten nur noch eine Nebenrolle.

Seit Dienstag bombardierten türkische Kampfflugzeuge bereits in mehreren Wellen die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrollierte nordsyrische Grenzstadt Dscharablus. Vorausgegangen war intensives Artilleriefeuer, später am Mittwochmorgen rollten türkische Panzer über die Grenze, um Rebellen der Freien Syrischen Armee beim Vorstoß auf Dscharablus zu unterstützen.

Eigentlich sollte die Auslieferung von Fethullah Gülen im Mittelpunkt von Bidens Kurzvisite stehen. Zumindest in den türkischen Fernsehnachrichten fand das Thema am Mittwoch nur noch am Rande Erwähnung.

Die Regierung demonstriert derweil millitärische Stärke. Nach dem Selbstmordanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft in Gaziantep räumt die Türkei mit dem Feind jenseits der Grenze auf: dem IS, der sich seit Jahren gleich hinter der Grenze zu Syrien eingenistet hat und den Ankara für den Anschlag in Gaziantep verantwortlich macht. Der erste Angriff der türkischen Armee richtet sich zunächst gegen den IS – doch ebenso wichtig dürfte es Ankara sein, einen Vormarsch der syrischen Kurden zu verhindern. Die Kurden-Miliz YPG, bewaffneter Arm der syrischen Kurdenpartei PYD, hat sich zum schärfsten Widersacher der IS-Terroristen in dem Bürgerkriegsland entwickelt. Zuletzt konnte ein von Kurden dominiertes Militärbündnis die strategisch wichtige Stadt Manbidsch von den Dschihadisten befreien. Mittlerweile kontrollieren die Kurden in Nordsyrien auch den größten Teil der Grenze zur Türkei.

Dabei treiben sie ihre Autonomiebestrebungen weiter voran. In den von ihnen kontrollierten syrischen Gebieten haben die Kurden eine Selbstverwaltung ausgerufen. Noch ist das kurdische Herrschaftsgebiet in dem Bürgerkriegsland in zwei Teile aufgespalten. Sollte die YPG allerdings weiter gegen den IS siegen, könnte es ihr gelingen, diese beiden Regionen zu vereinigen. Die Türkei befürchtet, das könne Autonomiebestrebungen der türkischen Kurden beflügeln. Für Ankara ist die PYD – genauso wie die eng mit der syrischen Kurdenmiliz verbundene Arbeiterpartei PKK – eine Terrororganisation. Deshalb sollen nun syrische Rebellen mit türkischer Hilfe Dscharablus unter Kontrolle bringen, damit die Stadt nicht in die Hände der Kurden fällt.

Pikant dabei: Während die Türkei gegen die syrische Kurdenmiliz vorgeht, ist diese in Syrien gleichzeitig wichtigster Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Seit zwei Jahren unterstützt die von den USA geführte internationale Koalition die Kurden mit Luftangriffen.

Kein Wunder also, dass die Kurden mit scharfer Kritik auf den Militäreinsatz reagierten. Die Intervention sei „eine Kriegserklärung gegen die Selbstverwaltung“ der Kurden in Syrien, sagte der PYD-Anführer. Die Kurden warnten Ankara, die türkischen Truppen würden genauso besiegt werden wie der IS.