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Fund des Jahres Elfenbeinperlen aus Eiszeithöhlen

Schon vor 42.000 Jahren haben unsere Vorfahren Gruppenidentitäten entwickelt - darauf deuten Perlenfunde in schwäbischen Eiszeithöhlen hin.

28.07.2017, 12:48

Blaubeuren (dpa) l Archäologen haben aus den Weltkulturerbe-Höhlen der Schwäbischen Alb bis zu 42.000 Jahre alte Perlen aus Mammutelfenbein geborgen. Die 40 Schmuckstücke seien für die Eiszeitforschung so bedeutend, dass sie nun als "Fund des Jahres 2017" im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren ausgestellt werden, sagte der wissenschaftliche Leiter der Grabungen, Professor Nicholas Conard, zur Präsentation der Perlen am Freitag. Sie ergänzen Sammlungen baden-württembergischer Museen mit eiszeitlichen Statuetten von Tieren und Menschen, Flöten und Schmuckgegenständen aus den Höhlen im Ach- und Lonetal. Die Unesco hatte sechs dieser Fundstätten am 9. Juli in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

"Dies Schmuckstücke sind wichtig für die Entwicklung unserer Art", erklärte Conard laut Mitteilung der Universität Tübingen. Sie seien zudem "der bislang älteste Nachweis für die komplexe Herstellung von Elfenbeinperlen weltweit". Conard hob zugleich die besondere Machart der doppelt sowie teils dreifach gelochten Perlen hervor; sie sei bisher allein von der Schwäbischen Alb bekannt. Das deute darauf hin, dass Menschen schon vor 42.000 Jahren Schmuck zur Kennzeichnung einer Gruppenidentität anfertigten.

Die damaligen Menschen (Homo sapiens) im Ach- und Lonetal hätten neue Formen von Schmuckstücken vermutlich "als Ausdruck einer Konkurrenzsituation zum Neandertaler oder als Reaktion auf die radikalen Umweltveränderungen in dieser Zeit" herstellt, erläuterte der US-Forscher, der das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen leitet. "Und wir können sogar Rückschlüsse auf die gesellschaftlichen Vorstellungen während dieser ersten Epoche der modernen Menschen in Europa ziehen."

Die Lochungen der Perlen entstanden durch das Bohren mit einem feinen Feuersteingerät oder durch wiederholtes Einschneiden. Sie liegen in allen Stadien des Herstellungsprozesses vor, vom Rohling bis zum getragenen Stück. Solche Perlen seien über einen Zeitraum von 6000 Jahren nachweisbar, erklärte Sibylle Wolf, wissenschaftliche Koordinatorin des Senckenberg Centre an der Universität Tübingen. "Das bezeugt, dass es eine Tradition des Herstellens und Tragens dieser sehr speziellen Form gab."

In den schwäbischen Weltkulturerbe-Höhlen wurden die bislang ältesten Werke figurativer Kunst – vor allem Statuetten von Tieren, aber auch von Menschen – sowie Flöten aus Knochen und Elfenbein entdeckt. Die beiden prominentesten Exponate sind die in Blaubeuren ausgestellte Frauenfigur "Venus vom Hohle Fels" und die als "Löwenmensch"" bekannte mysteriöse Mischfigur aus Mensch und Tier im Museum Ulm.