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Telematik-Tarife der Kfz-Versicherer

Belohnung für defensives Fahren: Mit Vergünstigungen durch Telematik-Tarife werben immer mehr Kfz-Versicherer vor allem um junge Kunden. Dabei wird das Fahrverhalten erfasst und bewertet. Lohnt sich der Daten-Striptease?

Von Stefan Weißenborn, dpa 23.02.2016, 04:00

Berlin (dpa/tmn) - Am Anfang steht ein Eingriff: Eine kleine Box muss ins Innenleben des Autos eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe kann das individuelle Verhalten des Fahrers erfasst werden: wie schnell er fährt, wie er beschleunigt und bremst oder durch Kurven fährt.

All das behält die Box nicht für sich. Über eine Datenverbindung teilt sie ihr Wissen in Form von Punktwerten mit der Kfz-Versicherung, die daraufhin den Fahrer einstuft.

Kunden mit so einem technischen Begleiter an Bord haben einen Telematik-Vertrag abgeschlossen. Der Anreiz: Die Versicherungen versprechen besonders defensiven Fahrern Beitragsrabatte. Im Gegenzug erhofft man sich weniger Schadensereignisse.

Die erste Gesellschaft in Deutschland, die ihren Kunden Telematik-Box und -vertrag anbot, war Anfang 2014 die Sparkassentochter S-Direkt. Nach zwei Jahren ist das Pilotprojekt mittlerweile beendet. Das Unternehmen zieht eine positive Bilanz: Das Feedback der Kunden war exzellent, sagt Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied bei S-Direkt.

Auch andere Versicherungen sind auf den Telematik-Zug aufgesprungen. So verspricht die Marke Sijox der Signal-Iduna-Gruppe für junge Autofahrer von 17 bis 30 Jahren Rabatte von bis zu 40 Prozent bei Abschluss des Tarifs AppDrive. Mit Vertragsbeginn erhalten sie ein Telematik-Gerät, das fachmännisch an der OBD-Schnittstelle (On Board Diagnose) im Auto installiert werden muss. Über eine App erhalten die Versicherten Aufschluss über ihren Fahrstil. Auch die Versicherung hat Zugriff auf die gesammelten Punkte, den sogenannten Score.

Der Versicherer Axa hat mit DriveCheck ein vergleichbares Telematik-Angebot für unter 25-Jährige, das allerdings auf Einbauten am Fahrzeug verzichtet und nur auf App-Basis funktioniert. Einsparpotenzial: 15 Prozent. Gerade junge Fahrer sind statistisch betrachtet überdurchschnittlich oft in schwere Unfälle verwickelt.

Geht es nach einer Studie der Beratungsfirma Roland Berger, werden weitere Versicherungen nachziehen. Bis 2030 erwarten die für die Studie Geschäftsmodell der Kfz-Versicherung im Umbruch im vergangenen Jahr befragten Branchenexperten für telematikbasierte Kfz-Versicherungen einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent. Insbesondere der zunehmende Abschluss von Policen über Vergleichsportale setze die Kfz-Versicherer unter Druck.

Autofahrer mit Telematik-Tarife geben eine Menge Daten preis. Wenn Versicherer Daten erheben, werden sie damit auch etwas anfangen wollen, sagt Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Allerdings arbeiten die Versicherer bei der Ausarbeitung ihrer Telematik-Produkte meist eng mit Datenschützern zusammen. Doch je mehr sich Telematiktarife verbreiten, desto teurer könnten klassische Tarife werden. Das ist eine Gefahr, sagt Opfermann. Zwar zeichne sich dies aktuell nicht ab, doch denkbar sei, dass Versicherungsnehmer, die sich gegen einen Telematiktarif entschieden, unter Generalverdacht gestellt würden, riskantere Autofahrer zu sein. Die Versicherungsgesellschaften schließen derzeit aber durch die Bank aus, dass die Erhebung des Scores zu ihrem Nachteil genutzt werde.

Aber auch unabhängig von der Sorge um die Datenerfassung sollten Autofahrer eine einfache Vergleichsrechnung aufmachen: Ist der Telematik-Tarif wirklich ein Schnäppchen, oder bietet ein Versicherungswechsel nicht das größere Einsparpotenzial? Oft lassen sich mehrere hundert Euro im Jahr sparen - ganz ohne Datenüberwachung. Hat der Versicherungsnehmer aber erst einmal Hardware im Auto installiert, werde er wahrscheinlich träger und weniger wechselfreudig, sagt Opfermann.

Studie von Roland Berger