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Bau bei Osterburg Windkraft aus dem Boden gestampft

Der große Bauboom in der Altmark ist vorbei, vielerorts entstehen aber noch kleinere Windparks wie der bei Osterburg.

Von Regina Urbat 29.07.2019, 15:57

Osterburg l Im Minutentakt fahren Laster vor. Beladen sind die rotierenden Mischfässer mit Frischbeton. Bauarbeiter weisen die Lkw-Fahrer ein, um an eine der beiden Pumpen anzudocken. 

Nur wenige Handgriffe genügen und der Beton mit der Rezeptur C 35/45 füllt weiter ein rundes Fundament von einem Durchmesser von 20,5 Meter. Dort wird ab September eine Windkraftanlage montiert.

Das Windrad gehört zu den drei Energieanlagen im neuen kleinen Windpark, der zurzeit nahe der Osterburger Stadtrandsiedlung in unmittelbarer Nachbarschaft des um ein vielfaches größeren Windparks bei Storbeck entsteht.

Ein kurzes Hupen unterbricht das Dröhnen der Pumpe, der Fahrmischer koppelt ab, der nächste dockt ab. „Eine Unterbrechung können wir uns nicht leisten, schon eine Stunde ohne Nachschub wäre eine Katastrophe“, sagt Carsten Niehoff. Der 42-Jährige hat sich erst vor ein paar Monaten mit der Gründung der Niehoff-Konzeptbau GmbH in Esterwegen im Emsland selbstständig gemacht und arbeitet im Auftrag des FEFA Ingenieurbüros in Stendal.

 „Das hier ist unsere erste große Baustelle, sozusagen Referenzpremiere“, so der Bauingenieur, der zuvor 16 Jahre lang in diesem Metier tätig war. Für das Auffüllen der Fundamente hat Niehoff stets Großaufträge ausgelöst. Für diese Windkraftanlage werden 95 Mischerladungen mit rund 720 Kubikmeter Beton aus den Werken in Stendal, Osterburg, Geestgottberg und Heiligenfelde bei Arendsee herangeschafft.

Von morgens 6 Uhr bis zum späten Nachmittag. Gleichzeitig muss die Hälfte seiner zwölf Mitarbeiter Handarbeit leisten. Sie stehen auf dem Geflecht von Stahl und treiben mit einem beweglichen Gestänge, dessen Endteil vibriert, die Luft aus dem Beton. „Das geht schon auf die Knochen“, sagt Polier Jürgen Langer und greift selbst mit zu.

Selbst als das Fundament aufgefüllt und all die Luft herausgetrieben ist, ist noch kein Feierabend in Sicht. Der Sockel, für den ein hochwertigerer Beton (C 50/60) verwendet wird, um Industriefußbodenqualität zu erreichen, muss noch abgeschliffen werden. Kurz vor der Abenddämmerung ist der Großeinsatz beendet. Sozusagen in der Versenkung verschwunden ist ein riesiges Geflecht aus Moniereisen.

„92 Tonnen Stahl sind für die Arretierung verbaut“, sagt der Firmenchef. Hinzu komme noch der Ankerkorb, der allein 14 Tonnen wiegt. Um die Standfestigkeit auf dem zum Teil komplizierten Untergrund zu garantieren, seien für diese Windkraftanlage 44 Fertigteile in den Boden gerammt worden.

Vorangegangen sind der Erdaushub und das Gießen einer Fundamentplatte, auch Sauberkeitsschicht genannt. Was nun noch fehlt, ist die Abdeckung des Fundamentsockels mit einer Plane, um ihn vor der sengenden Sonne zu schützen. „UV ist unser Feind“, sagt Carsten Niehoff.

So sei selbst beim Füllen des Fundaments darauf geachtet worden, dass die Außentemperatur nicht zu heiß war. „Mehr als 25 Grad ist nicht gut, um optimale Qualität zu erreichen“, sagt Niehoff. Man könnte zwar mit chemischen Zusätzen arbeiten, „doch das wollen wir nicht, setzen lieber ein, zwei Tage aus“.

An diesem Tag passt das Wetter perfekt. FEFA-Mitarbeiter Karsten Kragel ist vor Ort und schaut zufrieden auf das Tagwerk. „Wir liegen gut im Plan“, fügt er hinzu. Im Vorfeld, als FEFA die rund 1,7 Kilometer lange Zufahrt von der B 189 bis zur Baustelle auf dem Weideland errichtet hat, habe es „Gegenwind und Proteste“ gegeben.

„Klar, ich kann die Leute schon verstehen. Sie haben ihr Häuschen in der idyllischen Stadtrandsiedlung und fühlen sich nun durch die Bautätigkeit gestört.“ Noch höchstens ein halbes Jahr, „dann sind wir weg, und die Ruhe ist wieder da“, sagt Kragel.

Im Herbst soll der Turm auf den Sockel montiert werden. Dieser wird auf einem Innen- und Außenkranz mit jeweils 132 Bolzen verschraubt. „Die Teile werden ab September mit Schwerlasttransportern geliefert, wie üblich nachts.

Gleiches gilt für das Maschinenhaus, die Nabe und die Rotorblätter. „In dieser Reihenfolge erfolgt auch der Aufbau“, erklärt Kragel und nennt weitere Daten. 149 Meter hoch wird der Turm einer Anlage sein, die drei Rotorblätter sind jeweils 69 Meter lang. Die Leistung je Anlage betrage etwa 3,6 Megawatt pro Stunde.

Doch bevor der neue Windpark ans Netz gehen kann, was laut FEFA Ende November sein soll, brauchen die regenerativen Energielieferanten erst einmal selbst Strom. Deshalb müsse noch eine vier bis fünf Kilometer lange Versorgungsleitung durch Feld und Flur bis zum Umspannwerk am Stadtrand von Osterburg verlegt werden. Karsten Kragel lächelt und sagt: „Das geht fix, die Gräben zu ziehen und ein Kabel reinzulegen.“

Komplizierter sei die Projektierung für die Fundamente der drei Windkraftanlagen gewesen. Sie seien aus gutem Grund nicht baugleich. Im vorderen Bereich des Geländes, der Siedlung zugewandt, befindet sich zwischen zwei festen Schichten im Untergrund eine weiche Schicht.

„Vielleicht war hier ganz früher einmal ein Fluss“, vermutet der Bauleiter. Zumindest sei es dort immer feucht gewesen. Der Hitzesommer 2018 habe aber dem Weideland arg zugesetzt. „Der Pächter hat mir gesagt, er hätte nie gedacht, dass einmal ein Lkw auf seine Wiese fahren kann“, so Kragel.

Trotz Trockenheit, die auch in diesem Jahr anhält, „bei der Projektierung seien entsprechende Grundwasserstände berücksichtigt worden“. Auch müsse beachtet werden, dass sich die Windräder im Falle eines Umsturzes nicht berühren.

In gut 400 Meter Abständen stehen die drei neuen Windräder, von denen sich zwei auf Eigentumsland der Stadt Osterburg befinden. Das dritte gehört der FEFA, die Firma habe dafür Privatland erworben.

Konzipiert sind die Windkraftanlagen für 20 Jahre. Anschließend besteht die Möglichkeit, zwei Mal um fünf Jahre den Betrieb zu verlängern. Bei der rasanten Entwicklung der Technologie schwer vorstellbar.

Denn selbst die Windkraftanlagen bei Osterburg sind, wenn sie nach gut fünf Jahre Planung endlich ans Netz gehen, schon wieder veraltet. Doch erst einmal wollen die künftigen Betreiber damit Strom erzeugen, damit sich ihre Gesamtivestition von rund 20 Millionen Euro rentiert.