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"Für mich ist es kein Tabubruch" - Phil Hubbe will mit seinen Zeichnungen Brücken für Gespräche bauen

22.11.2012, 11:58

1988 erhielt der Karikaturist Phil Hubbe die Diagnose Multiple Sklerose, eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems. Die unheilbare Krankheit verläuft bei Patienten ganz unterschiedlich.
Hubbe selbst sitzt nicht im Rollstuhl, auch wenn ihn die Erkrankung schon Jahrzehnte begleitet. Freunde und Kollegen ermutigten ihn damals, neben tagespolitischen Themen auch die Krankheit zum Inhalt seiner Cartoons zu machen. Er lebte bereits in den 90er Jahren von seinen Cartoons, die in Zeitungen erschienenb und in Broschüren. Inzwischen veröffentlicht der 46-jährige Hubbe regelmäßig in den Zeitschriften "Handicap" (www.handicap.de) und dem Sportmagazin "Kicker" sowie in mehreren Tageszeitungen, unter anderem der Volksstimme, der Schweriner Zeitung, der Braunschweiger Zeitung. 2004 erscheint sein erstes Buch "Der Stuhl des Manitou – Behinderte Cartoons". Es folgten bis heute drei weitere Bücher der Serie und seit 2007 jährlich der Kalender "Handicaps". 2002 erhielt Phil Hubbe den "Deutschen Preis für die politische Karikatur" (3. Platz), 2006 den "Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe".


Darf man über eine Behinderung oder eine schwere Krankheit lachen? Eine, die vielleicht sogar tödlich verläuft? Darüber sprach die Volksstimme mit dem Magdeburger Cartoonisten Phil Hubbe.

Volksstimme: Schämen Sie sich nicht, sich über Menschen mit einer Behinderung lustig zu machen?

Phil Hubbe: Warum sollte ich? Behinderte wollen als normale Menschen behandelt werden. Das heißt, dass man auch über sie lachen darf. Immerhin gehöre ich ja auch selber dazu.

Volksstimme: Warum geht es in Ihren Arbeiten so häufig um körperliche und weniger um geistige Behinderung?

Hubbe: Körperliche Behinderungen lassen sich einfacher bildlich darstellen als geistige. Es besteht auch die Gefahr des sich einfach nur darüber lustig Machens.

Volksstimme: Wem, glauben Sie, nutzt Ihre Arbeit?

Hubbe: Zuerst einmal mir, denn ich verdiene damit mein Geld. Die Cartoons sollen unterhalten und zum Lachen anregen. Wenn sie darüber hinaus noch einen Nutzen haben, freut mich das, ist aber nicht erste Absicht.

Volksstimme: Braucht es tatsächlich diese Tabubrüche?

Hubbe: Lachen ist ein Weg, um auf die Belange von Behinderten hinzuweisen. Über den Humor ist es oft einfacher, ins Gespräch zu kommen. Für mich ist es auch kein Tabubruch. Humor gehört zum Leben dazu, auch für die Menschen mit Behinderung.

Volksstimme: Wie reagieren die Menschen auf Ihre Zeichnungen?

Hubbe: Natürlich kommt es auch zu Reflexionen bei den Betrachtern meiner Bilder. Oft bekomme ich Anfragen von Betroffenen und Selbsthilfegruppen und dergleichen, die gerne meine Arbeiten nutzen möchten bei Veranstaltungen, um damit auf Ihre Probleme hinweisen zu können. Von Betroffenen kommt eigentlich die wenigste Kritik, wenn dann oft noch in der Art, ich hätte ihre Krankheit noch nicht in einem Extra-Cartoon dargestellt. Viele Nichtbetroffene glauben dagegen, sie müssten sich schützend vor die Behinderten stellen, ohne sie aber je nach deren Meinung gefragt zu haben oder gar welche persönlich zu kennen.

Volksstimme: Wo liegen Ihre Grenzen?

Hubbe: Eine feste Grenze gibt es für mich nicht unbedingt. Selbst Krankheiten mit einem tödlichen Verlauf können Themen von Cartoons sein, genau wie der Tod selbst.Nur an einer Grenze mache ich halt: Ich zeichne nichts, von dem ich nichts verstehe, von dem ich keine Ahnung habe. Ansonsten ist es meine subjektive persönliche Entscheidung und mein Verständnis von Humor, der zuweilen auch recht schwarz ist, ob ich mich einem Thema zuwende. Und natürlich darf der Witz nicht platt sein.

Volksstimme: Wie kommt der Cartoonist auf seine Ideen?

Hubbe: Inspirationen bekomme ich oft aus Begegnungen mit anderen Betroffenen. Die schildern mir ihre Erlebnisse, die ich dann umsetzen soll in einem Cartoon. In erster Linie lebe ich aber von meinen Beobachtung im Alltag. Erst neulich habe ich vor einer Bäckerei direkt neben dem Fahrradständer einen leeren Rollstuhl gesehen und gedacht: Fahrerflucht?