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Alles auf Zucker: Diabetiker sollten im Job darüber reden

12.11.2014, 09:24

Berlin - Viele Menschen mit Diabetes verheimlichen ihre Krankheit, weil sie im Job Nachteile befürchten. Tatsächlich sind sie aber genauso leistungsfähig wie andere. Am besten, sie klären ihre Kollegen auf.

Fabian Thümer pikst sich in den Finger und schaut auf sein Blutzuckermessgerät. Danach spritzt er sich Insulin. Seine Arbeitskollegen sitzen gleich nebenan. "Ich wollte mich auf der Arbeit nicht verstecken, nur weil ich Diabetes habe", erzählt der Zimmerermeister und Ausbilder aus Berlin. Die Kollegen reagierten verständnisvoll. "Warum spritzt du dich?", fragten sie. Andere wollten wissen, ob er noch an Baustellen und Maschinen arbeiten könne. "Manche befürchteten wohl, dass ich nun häufig ausfallen würde und sie mich ersetzen müssen", erklärt Thümer.

Viele Menschen mit
Diabetes verheimlichen ihre Erkrankung am Arbeitsplatz, weil sie fürchten, ihren Job zu verlieren. "Allein anhand der Diagnose Diabetes kann man aber nicht die beruflichen Risiken eines Betroffenen beurteilen oder gar auf eine Nichteignung schließen", sagt Kurt Rinnert vom Betriebsärztlichen Dienst der Stadt Köln. "Mehrere Statistiken, etwa von Krankenkassen, belegen, dass Menschen mit Diabetes im Berufsalltag nicht mehr Arbeitsunfälle haben und auch nicht weniger leistungsfähig sind als andere."


Während der Arbeit können bei Diabetikern allerdings gelegentlich Unterzuckerungen auftreten. Im Vorfeld fühlen sich die Betroffenen oft schlapp, sie schwitzen oder zittern, haben Heißhunger, Konzentrations- und Sprachprobleme oder sind leicht reizbar. "Diese Warnsymptome können sich im Laufe der Zeit aber dahingehend verändern, dass Betroffene nur noch ganz besondere Anzeichen wie eine kalte Nase wahrnehmen", sagt Rinnert.

Das Risiko für Unterzuckerungen steigt bei Berufen, die mit starken körperlichen Belastungen einhergehen. "Problematisch ist auch, wenn keine Möglichkeit besteht, eine Pause zu machen, den Blutzucker zu messen und Traubenzucker einzunehmen", sagt Rinnert. "Etwa bei einem Feuerwehrmann auf einem Rettungseinsatz, weil er aufgrund der Hitze Schutzkleidung tragen muss und unter großem Zeitdruck steht."

Auch Wechselschichten sind für Menschen mit Diabetes eine Herausforderung, weil sie dann zu unregelmäßigen Zeiten arbeiten, schlafen und essen. "Insulin hat zu unterschiedlichen Tageszeiten eine unterschiedliche Wirkung. Das macht es schwierig, die geeignete Insulinmenge zu ermitteln", erklärt Prof. Karsten Müssig von der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. In solchen Fällen helfen Insulinpumpen. "Mit ihnen kann man den Insulinbedarf genau anpassen, indem man ein Profil Tagschicht und ein Profil Nachtschicht hinterlegt."

Am Arbeitsplatz kann es zu Unterzuckerungen kommen, wenn sich Menschen mit Diabetes Insulin gespritzt haben und dann aber vom Essen abgehalten werden. "Zum Beispiel kommt der Chef kurz vor der Mittagspause mit einer dringenden Aufgabe ins Büro, oder auf dem Weg zur Kantine ergibt sich ein längeres Gespräch mit Kollegen", sagt Müssig. Deshalb sollten sich die Betroffenen das Insulin am besten unmittelbar vor dem Essen spritzen.

Wenn dennoch eine Unterzuckerung eintritt, greifen Betroffene am besten sofort zu schnell wirksamen Kohlenhydraten. Manche können ihre Unterzuckerung aufgrund einer Wahrnehmungsstörung aber nur sehr spät oder gar nicht erkennen. "Gerade dann ist es wichtig, dass auch die Kollegen von dem Diabetes wissen, so dass sie auf die Symptome hinweisen oder Traubenzucker reichen können", sagt Müssig.

Auch Thümer rät Betroffenen, ihren Diabetes von selbst anzusprechen: "In größeren Betrieben sollten sie zunächst den Personalrat und die Behindertenvertretung informieren - als Vorsorge, falls es am Arbeitsplatz Probleme geben sollte." Danach sprechen sie am besten mit ihren Vorgesetzten. Wenn der Mitarbeiter zeige, dass er sich mit seiner Krankheit auskennt und auf Risiken vorbereitet ist, dann fühlten sich auch die Vorgesetzten und Kollegen sicherer.


Füße täglich kontrollieren
Wenn Diabetiker ungeeignetes Schuhwerk zum Beispiel mit harten Sohlen oder drückenden Nähten tragen, können an ihren Füßen unbemerkt Wunden entstehen. Denn bei vielen Patienten ist die Nervenfunktion gestört, so dass sie kleinere Verletzungen nicht wahrnehmen. Sie sollten daher täglich ihre Füße auf Schwielen und Verformungen untersuchen. Darauf weist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel Eurocom hin.

Ratsam ist auch, sich regelmäßig die Füße von einem medizinisch ausgebildeten Fußpfleger behandeln und mindestens alle drei Monate vom Hausarzt untersuchen zu lassen. Im Zweifelsfall sollte ein Diabetologe zurate gezogen werden. Im schlimmsten Fall kann eine unentdeckte Wunde zur Amputation führen, weil Verletzungen bei Menschen mit Diabetes schlecht heilen.