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Was das Mammografie-Screening kann und was noch nicht

04.02.2015, 08:17
Das Mammografie-Screening in Deutschland trägt weiter dazu bei, dass mehr Frauen mit Brustkrebs ihre Brust behalten können und bessere Heilungschancen haben. Foto: Jan-Peter Kasper
Das Mammografie-Screening in Deutschland trägt weiter dazu bei, dass mehr Frauen mit Brustkrebs ihre Brust behalten können und bessere Heilungschancen haben. Foto: Jan-Peter Kasper dpa-Zentralbild

Berlin - Soll ich zum Mammografie-Screening gehen oder nicht? Tausende Frauen über 50 stellen sich diese Frage. Was das Screening leisten kann, verrät der neue Jahresbericht. Entscheiden muss jede Frau selbst.

Allein schon das Wort Brustkrebs lässt viele Frauen in Deutschland zusammenzucken. Wenn mit 50 Jahren das erste Mal die Einladung zum Mammografie-Screening im Briefkasten liegt, wird vielen mulmig. Hingehen oder nicht? Der neue Jahresbericht zu den systematischen Röntgenuntersuchungen der Brust zeigt nun erneut auf, was das Screening kann: Mehr Tumore werden im Frühstadium entdeckt und haben oft noch nicht gestreut. Das erhöht die Chance, dass Frauen bei der Therapie ihre Brust behalten können. Auch die Heilungschancen steigen. Eine Garantie für die einzelne Frau ist das aber nicht. Und ob mehr Frauen ihren Krebs überleben als früher weiß man auch nicht.

An Brustkrebs sterben jedes Jahr in Deutschland etwa 17 500 Frauen, 70 000 erkranken neu. Das Mammografie-Screening, 2009 bundesweit nach Vorbildern wie den Niederlanden eingeführt, soll helfen, die hohen Sterbeziffern zu senken. Eingeladen werden alle zwei Jahre alle gesetzlich versicherten Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Dieses Alter gilt als Hauptrisikospanne für Brustkrebs. Bisher entscheiden sich rund die Hälfte (53 bis 56 Prozent) der eingeladenen Frauen für die Untersuchung. Nach EU-Leitlinien sind allerdings 70 Prozent nötig, um Effekte auf der Bevölkerungsebene gut messen zu können.

Der neue Jahresbericht der Kooperationsgemeinschaft Mammographie, gegründet von den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztliche Bundesvereinigung, liegt nun für das Jahr 2011 vor. Die Auswertung braucht Zeit: 2,7 Millionen Frauen wurden untersucht. Bei rund 17 000 entdeckten die Ärzte Brustkrebs. 12 000 der entdeckten Tumore waren kleiner als zwei Zentimeter und hatten Lymphknoten nicht befallen.

Dieser Anteil sei hoch, sagt Vanessa Kääb-Sanyal, Chefin der Kooperationsgemeinschaft. "Ein früh erkannter Brustkrebs bietet für die Frau die Chance auf eine schonendere Therapie." Zudem könne sie ihr Risiko, an Brustkrebs zu sterben, durch die Früherkennung im Screening senken. Wegscreenen lässt sich das Risiko nicht. Ein schnell wachsendes Karzinom kann trotz Früherkennung zum Tod führen.

Trotzdem gibt es Hoffnungen: Je länger das Screening läuft und je mehr Frauen regelmäßig kommen, desto mehr Karzinome können früh entdeckt und entfernt werden. Damit treten diese Tumore später nicht mehr auf. Das kann nach Ansicht der Kooperationsgemeinschaft die Neuerkrankungsrate langfristig senken. Nur folgt Krebs im Einzellfall keiner Statistik. Es ist durchaus möglich, dass bei einer Frau auch zwischen zwei Untersuchungsterminen ein Tumor schnell heranwächst.

Das alles sollten Frauen wissen. Doch das Grundwissen über das Screening gilt in Deutschland nicht als gut. Es gibt sogar Frauen, die glauben, dass die Untersuchung Tumore verhindern kann. Eine Info-Broschüre wird wegen Kritik an zu viel Werbung für das Screening neu verfasst - ein erster neuer Entwurf soll im Februar vorliegen.

Nachteile des Screenings waren schon vor seiner Einführung bekannt. So sind viele falsch-positive Befunde möglich. Auch 2011 wurden 130 000 Frauen nach der Mammografie zu einer weiteren Abklärung eingeladen - doch nur bei 13 Prozent von ihnen fand sich am Ende wirklich Brustkrebs. Für die meisten anderen gab es nach der zweiten Untersuchung nach spätestens sieben Werktagen Entwarnung. Bei 34 000 Frauen entnahmen Ärzte eine Gewebeprobe - die Hälfte von ihnen erhielt schließlich die Diagnose Brustkrebs.

Ein schwieriges Kapitel sind Übertherapien: wenn etwa ein Brustkrebs im Vor- oder Frühstadium hart bekämpft wird - obwohl nicht sicher ist, dass er eine Frau später töten würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an einer Herzkrankheit stirbt, könnte höher sein. "Wir schätzen, dass es ein bis zehn Prozent Überdiagnosen gibt", so Corinna Heinrich, Sprecherin der Kooperationsgemeinschaft. "Es ist aber immer Brustkrebs, der da diagnostiziert wird", betont sie.

Für das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg ist mit den neuen Daten ein Vorteil des Screenings sicher belegt: Durch die Entdeckung von mehr Tumoren im Frühstadium erhöhe sich die Chance auf Brusterhaltung und Heilung, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes am Deutschen Krebsforschungszentrum. Ob sich aber auch die Sterbeziffer senken lasse, bleibe noch unklar.

Noch gibt es allein Schätzungen des Robert Koch Instituts: 2000 Frauen im Jahr könnte durch das Screening das Leben gerettet werden. Für Belege muss bis 2019 aber erst einmal ein Langzeit-Ergebnis von zehn Jahren abgewartet werden. Und selbst dann ist noch nicht klar, ob sich ein Effekt mit blitzsauberen wissenschaftlichen Methoden nachweisen lässt. Dafür müsste es zwei große Zufallsgruppen von Frauen geben - bei der einen wird jahrelang die Brust geröntgt, bei der anderen nicht. Das sei in Deutschland seit der Einführung des Screenings gar nicht mehr möglich, sagt Weg-Remers. Eine Studie soll nun klären, ob es andere belastbare Rechenwege gibt.

Denn reine Langzeit-Überlebensraten reichen Experten nicht. Einer Frau könnte nicht nur durch das Screening, sondern auch durch bessere OP-Methoden das Leben gerettet worden sein, argumentieren sie.

Kritiker in Deutschland monieren schon lange, dass gesunde Frauen unnötig einer Röntgenuntersuchung ausgesetzt würden - samt Kosten von rund 220 Millionen Euro im Jahr. Alternativen zum Screening sehen viele Experten trotzdem nicht. Hoffnung machen Fortschritte in der Molekulargenetik. Wenn sich das individuelle Brustkrebsrisiko einer Frau besser einschätzen ließe, könnten irgendwann vielleicht nur Risiko-Fälle regelmäßig gescreent werden, sagt Weg-Remers. "Auf längere Sicht wäre das sicher ein guter Weg."