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Wegen Corona Studieren aus dem Kinderzimmer

Zwischen Teenieposter und Statistikbuch: Wegen der Corona-Pandemie sind viele Studierende wieder in ihr Elternhaus gezogen. Sie müssen kräftig improvisieren. Das hat auch für den Wohnungsmarkt Folgen.

Von Stella Venohr, dpa 09.10.2020, 11:32

Bielefeld (dpa) - Wenn Louisa eine Vorlesung hat, steht sie 15
Minuten vorher auf. Einen Kaffee getrunken, Zähne geputzt - die
Leggins können bleiben, sieht ja eh niemand.

Schon geht es vor den Laptop in die Vorlesung. Während die Professorin ihrer niederländischen Uni auf dem Bildschirm über Marketing doziert, knabbert Louisa in ihrem alten Kinderzimmer in Bielefeld noch an einem Brötchen und macht sich nebenbei Notizen.

Auch Erik bereitet sich zu Hause im westfälischen Halle auf seine
Vorlesungen vor. Für den Erstsemester beginnt der Studienbetrieb
unter Corona-Bedingungen allerdings erst noch, er zieht nach Köln.
"Ich hatte mich schon auf die Uni gefreut. Besonders als Ersti, denn
ich gehe komplett alleine nach Köln und bin darauf angewiesen,
Freunde zu finden", erzählt der 19-Jährige. Viele seiner Freunde
wollen das Semester von zu Hause aus durchziehen - für ihn keine
Option. "Ich will ein neues Kapitel anfangen mit dem Studium, da
gehört der Auszug für mich dazu."

Mischung aus Vor-Ort- und Online-Studium

Studierende müssen weiter kräftig improvisieren, wenn am 26. Oktober
nach den Semesterferien der Vorlesungsbetrieb an den
nordrhein-westfälischen Hochschulen beginnt. Überall wird es eine
Mischung aus klassischen Vor-Ort-Veranstaltungen unter
Corona-Bedingungen und einem Online-Betrieb geben.

"Wie genau Vorlesungen und Seminare stattfinden, wissen wir ehrlich
gesagt noch nicht. Das kann sich immer wieder ändern, je nachdem, wie
hoch die Infektionszahlen dann sind", sagt ein Sprecher der
Technischen Universität in Dortmund. Es werde jedoch versucht,
besonders für die Erstsemester möglichst viele Präsenzveranstaltungen
anzubieten. Einige Unis lassen vorsichtshalber auch ihre Bibliotheken
noch geschlossen.

Das hat Folgen - für das Leben in der Uni, und für den Wohnungsmarkt
in den Studentenstädten. Zahlreiche Studierende sind wegen der
Pandemie erstmal wieder zurück zu den Eltern gezogen - so wie die
21-jährige Louisa aus Bielefeld. "Ich war alleine in einer Wohnung
ohne Mitbewohner und habe mich sehr unwohl gefühlt", erzählt sie.
Seit mehreren Monaten lebt sie nun wieder in ihrem Kinderzimmer. "Ich
war froh, hier meine Familie und Freunde zu haben. Alleine in Holland
hätte ich durch Corona keine Chance gehabt, mir ein soziales Netzwerk
aufzubauen."

"Wir haben viele Anfragen von Studierenden, die fragen, ob sie ihre
Wohnung kündigen und bei Eltern wohnen bleiben sollen", berichtet
Martin Rothenberg von der Technischen Universität in Dortmund.
Schließlich seien auch hohe Kosten mit einer eigenen Wohnung
verbunden.

Weniger Mieter in Studentenwohnheimen

Einen Rückgang der Mieter erkennen auch die Studierendenwohnheime. So
waren Mitte September an den Standorten Bielefeld, Minden und Detmold
rund sechs Prozent der Zimmer nicht vermietet. "Dies ist für uns eine
völlig neue Situation, da wir in den vergangenen Jahren so gut wie
keinen Leerstand hatten", sagt Helga Fels vom Studierendenwerk
Bielefeld.

In den Studentenwohnheimen an der Ruhr-Universität in Bochum gab es
zwischenzeitlich sogar 20 Prozent mehr Leerstand als normalerweise.
Laut einer Sprecherin liegt dies auch an den fehlenden
internationalen Studierenden, die nicht gekommen sind oder nicht
einreisen durften. Mittlerweile habe sich die Situation wieder
eingependelt.

Denn viele Studenten wollen eigentlich wieder raus aus ihrem Hotel
Mama. Robert zieht deshalb zum Wintersemester mit zwei Kommilitonen
nach Münster. Der Wunsch, wieder unabhängig von den Eltern zu wohnen,
sei groß, sagt der 21-Jährige. "Ich glaube, es hat zu Hause vor allem
gut funktioniert, weil es die Perspektive gab, dass es nur zeitlich
begrenzt ist. So nach dem Motto: Ich bin in fünf Monaten wieder weg."

Das geht Marina, Lehramtsstudentin an der Uni Paderborn, ähnlich. Mit
Mitte 20 wieder unter einem Dach mit der Familie zu leben, sei eine
Herausforderung gewesen. "Wenn man einmal alleine gewohnt hat, ist es
schon anstrengend, plötzlich wieder zu Hause zu sein. Auf einmal muss
man wieder alles absprechen." Sie trifft allerdings noch ein anderes
Problem: Durch Corona sind vielen Studierenden ihre Nebenjobs
weggebrochen. Von zu Hause auszuziehen könne sie sich deshalb im
Moment einfach nicht leisten, sagt die 26-Jährige.

© dpa-infocom, dpa:201009-99-884218/3