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Mit Abstand und Maske Uni-Prüfungen in Corona-Zeiten

Früher saßen bei Prüfungen Hunderte Studierende in einem Hörsaal - in diesem Sommer brauchen die Unis dafür sechs- bis siebenmal so viele Räume. Auch Prüfungen online anzubieten, hat Tücken.

Von den dpa-Korrespondenten 02.07.2020, 09:09

Kassel (dpa) - Rund 50 Studierende warten vor dem Hörsaal der Universität Kassel. Für sie geht es gleich um viel: Eine schriftliche Klausur der Wirtschaftswissenschaften steht an. Doch zuvor ist Geduld gefragt.

Die Studenten warten mit Abstand, bis sie einzeln aufgerufen werden. Sie tragen Masken und desinfizieren sich die Hände. Nach der Identitätsprüfung werden ihnen einzelne Plätze zugewiesen. Am Platz können sie die Maske ablegen, Prüfer und Aufsichten behalten sie an.

An Hessens Hochschulen beginnt die Prüfungsphase. Zum Abschluss des coronabedingten Digitalsemesters kommt auf die Unis einiges zu. So müssen ausgefallene Klausuren des vergangenen Wintersemesters nachgeholt werden. Wegen der Abstandsvorschriften dürfen in jedem Raum nur wenige Plätze besetzt werden. Daher brauchen die Hochschulen mehr Räume, mehr Personal, mehr Zeit - und kämpfen zudem mit rechtlichen Unsicherheiten.

Mehr Räume oder Online-Klausuren

"Der Prüfungsbetrieb einer großen Hochschule ist auch sonst schon eine logistische Großaufgabe", sagt die Präsidentin der Frankfurter Goethe-Universität, Birgitta Wolff. "Jetzt brauchen wir, Faustregel, sechs bis sieben mal so viele Räume." Zuvor fanden Prüfungen in Massenfächern wie Betriebswirtschaftslehre mit 800 Personen in einem Hörsaal statt - "jetzt brauchen wir dafür das ganze Hörsaal-Zentrum". In Schichten zu schreiben, sei nicht möglich: "Wenn Sie das zeitlich auseinanderzögen, müssten Sie unterschiedliche Klausuren stellen. Das aber zieht ein Klagerisiko nach sich, weil die Bedingungen nicht mehr identisch sind. Wir müssen die Prüfungen rechtssicher durchführen."

Auch Prüfungen online anzubieten, hat seine Tücken. Um zu beweisen, dass er selbst schreibt, müsste sich jeder Student mit einer Webcam filmen. "Die Herausforderung bei Online-Fernprüfungen besteht darin, den mit einer Webcam-Aufsicht verbundenen Datenschutzanforderungen zugleich mit den prüfungsrechtlichen Erfordernissen gerecht zu werden", sagt Wolff. Daher finden E-Prüfungen bisher in den Räumlichkeiten der Uni statt, dort bestehen solche Probleme nicht.

Im Sommersemester sind in Frankfurt - zeitlich befristet - zwei weitere Varianten von Online-Prüfungen möglich: Eine E-Prüfung mit Aufsicht via Webcam für Studierende, die zu Risikogruppen zählen oder wegen Corona nicht aus dem Ausland zurückreisen können. Und E-Prüfungen ohne Aufsicht, wenn die Fragen entweder offen oder argumentationsbasiert sind oder als Multiple-Choice-Verfahren.

Mündliche Prüfungen per Videokonferenz

Die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses in Frankfurt (AStA), Melissa Dutz, ist erleichtert, dass nun doch mehr E-Klausuren möglich sind. "Online-Prüfungen sind für uns eine sehr gute Lösung", sagte die Soziologie-Studentin. Auch mündliche Prüfungen könnten kontaktlos als Videokonferenz stattfinden. "Das ist gut für Studierende und Lehrende, der Aufwand ist geringer als bei Präsenzprüfungen und die Teilnahme an Prüfungen ist für alle möglich." Wichtig findet der AStA, dass in diesem Jahr "großzügige Rücktrittsmöglichkeiten" gelten: Wer im Sommer keine Prüfung ablegen will - etwa weil die Bibliotheken geschlossen waren -, darf kurzfristig verschieben.

"Wir schieben einen großen Teil der Prüfungen aus dem Wintersemester vor uns her", sagt Wolff. Erst seit 8. Juni sind Nachholtermine möglich. Besonders schwierig seien mündliche Prüfungen. Weil dafür idealerweise Einzeltermine vergeben werden müssen, zieht sich die Gesamtdauer in die Länge.

Die Hochschule habe auch einen "Zielkonflikt", erklärt Wolff: "Wir müssen Prüfungen durchführen, aber wir wollen auch die Präsenzlehre wieder hochfahren." Immerhin haben die Studierenden in Frankfurt ein bisschen weniger Stoff zu pauken. Per Eilverordnung hat das Präsidium es im Frühjahr den Lehrenden freigestellt, die Stoffmenge um etwa ein Sechstel zu reduzieren.

Logistischer Aufwand für Abstands- und Hygieneregeln

Die Philipps-Universität Marburg und die Technische Universität Darmstadt greifen auf Erfahrungen im Wintersemester zurück. An der Uni Marburg werden mehr Räume eingeplant und der Prüfungszeitraum verlängert, berichtet eine Sprecherin. Versetzte Anfangszeiten bei Prüfungen in einem Fach seien nicht vorgesehen, das Raumangebot reiche aus. Mündliche Prüfungen können auch via Videoschalte abgelegt werden. Um Abstands- und Hygieneregeln zu beachten, sei ein großer logistischer Aufwand nötig, sagt ein Sprecher der TU Darmstadt. Auch hier heißt es: "Unsere TU-eigenen Räumlichkeiten reichen aus."

Auch die Justus-Liebig-Universität Gießen sieht sich mit ihren Räumen gerüstet, zumal zurzeit nur vereinzelt Lehrveranstaltungen stattfinden. Zusätzlich seien zwei Turnhallen der Uni mit Stühlen und Tischen ausgestatten worden, berichtet eine Sprecherin. Für Klausuren mit mehr als 1000 Studierenden, wie beim Lehramt, sollen die Messehallen angemietet werden. Auch seien Online- und Videokonferenzformate möglich. "Onlineprüfungen in Form von sogenannten synchronen Klausuren, also Aufgaben, die zur gleichen, begrenzten Zeit gemeinsam von einer größeren Gruppe online bearbeitet werden, gibt es momentan nicht", teilt die Uni mit.

Auch die Universität Kassel hat rasch auf die Situation reagiert und neue Möglichkeiten für Prüfungen beschlossen, ebenso veränderte Prüfungszeiträume. So könnten mündliche Prüfungen unter bestimmten Bedingungen seit dem 11. Mai auch als Videokonferenz abgelegt werden, sagt Sprecher Sebastian Mense. Schriftliche Prüfungen sind unter Wahrung der Hygieneregeln seit dem 8. Juni wieder möglich; bis zum 24. Juli werden die ausgefallenen Klausuren des vergangenen Wintersemesters nachgeholt. Klausuren des laufenden Sommersemesters finden überwiegend ab 17. August statt.

© dpa-infocom, dpa:200702-99-644506/2

Regelungen der TU Darmstadt