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Nicht nur Schnitzerei Wie werde ich Holzbildhauer/in?

Holzbildhauer erlernen ein Handwerk mit langer Tradition. Mit Herrgottschnitzereien hat der Beruf aber nur noch wenig zu tun. Eine Ausbildung für (Lebens-)Künstler.

Von Amelie Breitenhuber, dpa 22.09.2019, 23:01

Oberammergau (dpa/tmn) - Mal mithilfe eines kleinen Schnitzmessers, mal mit der Motorsäge. Sophia Böhner konzentriert sich darauf, aus einem Stück Holz ein Kunstwerk zu schaffen.

Die 21-Jährige lernt an der Berufsfachschule in Oberammergau die Grundlagen des Holzbildhauerhandwerks. "Wir haben das Glück, dass wir sehr breite Möglichkeiten haben, und auch viel über Holz hinaus kennenlernen", erzählt sie.

Eigentlich gehört der Beruf zu den dualen Ausbildungen. Inzwischen bieten aber vorwiegend spezialisierte Berufsfachschulen die Ausbildung an. "Das liegt daran, dass die meisten Holzbildhauer heute Ein-Mann-Betriebe führen", erklärt Michael Kühnert, Lehrer an der Staatlichen Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim. Die hätten in der Regel keinen Bedarf an Auszubildenden. "Die klassischen Tätigkeiten, da wo das Handwerk herkommt, etwa Krippenfiguren in Masse herzustellen, gibt es immer weniger", sagt er.

Von der Zeichnung zum Kunstobjekt

Holzbildhauer beginnen ihre Arbeit mit einer Zeichnung, entweder von konkreten Figuren und Skulpturen oder aber von abstrakten Objekten. "Also lernen auch die Auszubildenden erst mal Zeichnen", erklärt Kühnert. Die Schüler fertigen zum Beispiel Akte oder Naturstudien an.

Als nächstes geht es darum, die zweidimensionale Zeichnung in eine dreidimensionale Form zu bringen. Dazu schaffen Holzbildhauer erst ein Vormodell aus Ton, dann eins aus Gips. "Und erst dann beginnt die Skulpturarbeit und das Formen in Holz." Daher stehen auch Fächer wie Drechseln und Schreinern auf dem Lehrplan.

Die Schüler lernen den Umgang mit unterschiedlichen Werkzeugen wie Schnitzeisen, Sägen, Raspel oder Hobel. An der Holzbildhauerschule in Bischofsheim erwirbt jeder Auszubildende einen Maschinenschein. Denn auch große Geräte kommen zum Einsatz. "Am Anfang haben viele noch Respekt vor der Kettensäge", erzählt Kühnert. Die Schüler würden sich aber schnell einarbeiten. "Das ist schön zu sehen. Man muss die Angst verlieren, aber nicht den Respekt."

Viele Schulen haben eine Aufnahmeprüfung

Sophia Böhner ist im zweiten Schuljahr ihrer Ausbildung. Nach einem einwöchigen Praktikum in der ersten Klasse an der Berufsfachschule stand für sie fest, dass die Ausbildung genau das Richtige für sie ist. Diese Möglichkeit, einen Einblick zu gewinnen, empfiehlt sie auch anderen.

Für den Zugang zur Ausbildung ist laut Bundesagentur für Arbeit keine Vorbildung vorgeschrieben. Viele der Berufsfachschulen haben jedoch einen Eignungstest. "An unserer Schule gehört dazu eine Mappe mit 15 grob vorgegebenen Motiven, zum Beispiel Naturstudien", erzählt Böhner. Zudem könne jeder eigene Arbeiten mit einreichen. Bei einer eintägigen Prüfung müssen Bewerber zudem etwa ihre Fähigkeiten im Porträtzeichnen oder im Reliefmodellieren unter Beweis stellen.

Auch an der Berufsfachschule in Bischofsheim gibt es eine Aufnahmeprüfung. In einem Gespräch müssen Bewerber zudem erklären, warum sie die Ausbildung zum Holzbildhauer anstreben. "Wir gucken: Wie ernst nimmt derjenige das? Oder sind die Vorstellungen und Überzeugungen vom Beruf doch zu schwammig?" so Kühnert.

Von der Christusfigur bis zum Haifisch

Holzbildhauer arbeiten später längst nicht nur mit Holz. "Uns ist wichtig, dass die Schüler auch andere Materialien kennenlernen", sagt Kühnert. Deshalb arbeiten die Auszubildenden auch mal an einem Steinmodell oder schnitzen im Winter an einem Eisblock.

Kreativität ist somit die wichtigste Voraussetzung für die Arbeit als Holzbildhauer. Die Schüler bekommen zum Beispiel das Thema "Unterwasserwelten" vorgegeben und können sich austoben. "Da kann dann von Qualle bis Haifisch alles dabei sein", sagt Kühnert. Aber auch die "Klassiker" gehören dazu, etwa eine kaputte Christusfigur zu restaurieren oder Originalfiguren zu replizieren.

Die Arbeit mit Holz erfordert viel Geduld. "Man arbeitet zum Teil über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten an einem Objekt", erklärt die 21-Jährige. Geschick, Motivation und Disziplin sollten Interessierte ebenfalls mitbringen, so Kühnert.

Kein Lehrgehalt an der Schule

Die angehenden Holzbildhauer müssen sich überlegen, wie sie die Schulzeit finanziell stemmen können. "Wir bekommen an der Schule kein Lehrgehalt", erklärt Böhner. Dass ihr Ausbildungsweg auch nicht in eine Festanstellung führt, ist Sophia Böhner bewusst. Sie ist aber fest entschlossen, den Weg als freischaffende Künstlerin zu gehen.

Es gibt ganz unterschiedliche Optionen nach der Lehrzeit. "Die Menschen arbeiten zum Beispiel als Restaurator, studieren Architektur, einige gehen an die Kunstakademie oder machen sich selbstständig, das ist ganz vielfältig", erklärt Kühnert.

Grob ließen sich zwei Richtungen unterscheiden: Die des klassischen Schnitzers, der etwa sakrale Figuren oder Kuckucksuhren herstellt. "Die andere Schiene ist die freie Bildhauerei." Da brauche es viel Disziplin, um sich einen Kundenkreis zu erarbeiten, so Kühnert.

Bildhauerschule Oberammergau

Berufeprofil Holzbildhauer

Berufsporträt bei der Bundesagentur für Arbeit

Staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim