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Bismarck-Stiftung Angezettelt: Neue Ausstellung im Museum

„Antisemitischen Aufklebern und Gegenwehr" widmet sich eine neue Ausstellung im Schönhauser Bismarck-Museum.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 08.03.2016, 13:28

Schönhausen l Klebezettel sind ein vertrautes Medium. Selbst der jüngste Gast der Ausstellungseröffnung am Sonntag in Schönhausen, der vierjährige Johann, konnte als Sammler von Piratenbildern schon mitreden. Aber es gibt Klebezettel auch in der Variante „klein, klebrig, infam“. In dieser Form sind sie Thema einer Ausstellung des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin unter dem Titel „Angezettelt. Antisemitische Aufkleber und Gegenwehr“. Bis Mitte September ist sie in den Räumlichkeiten der Bismarck-Stiftung Schönhausen zu sehen. Bei der Eröffnung stieß sie bei den 50 Gästen, für die der Platz im Gärtnerhaus kaum ausreichte, auf reges Interesse.

Erfreulich findet das Stiftungsleiterin Dr. Andrea Hopp, denn die Ausstellung über Sticker und Stigma ist von „beklemmender Aktualität“ – handelt sie doch von Ansteckern und Aufklebern, die durch die Botschaften und Bilder, die sie transportieren, ebenso Gruppenzugehörigkeit stiften wie sie Ausgrenzung signalisieren. Die Ausstellung, die auf einer Privatsammlung basiert, erklärt, wie das funktioniert und – ebenfalls aktuell wichtig – dass es möglich ist, dem etwas entgegenzusetzen, sogar mit denselben Mitteln.

Dokumentiert wird hauptsächlich antijüdisches Alltagshandeln seit dem 19. Jahrhundert. Das Augenmerk richtet sich aber auch auf neue Feindbilder, wie klischeehafte Vorstellungen vom Islam und über Flüchtlinge es sind. So wird einerseits die Kontinuität von menschen- und gruppenfeindlichen Vorstellungen aufgezeigt, andererseits, welchen kleineren Nuancen und größeren Wandlungen diese im Lauf der Zeit unterliegen und dass dies stets auch von Widerspruch und Gegenwehr begleitet wird.

Seit ihrer Erstpräsentation im Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main war die Ausstellung mittlerweile in Wiesbaden und Prora zu sehen. Fast parallel zu Schönhausen kommt sie in erweiterter Form, eigener Gestaltung und mit Originalen demnächst ins Deutsche Historische Museum in Berlin. München wird die nächste Station sein. Ausstellungsmacherin Dr. Isabel Enzenbach betonte, wie bedeutsam es aus ihrer Sicht sei, dass die Ausstellung „über die Dörfer“ wandere, wo sie von erkennbarem zivilgesellschaftlichen Engagement begleitet wird.

Dass diese wichtige Ausstellung in der Altmark gezeigt werden kann, ist einer Förderung durch die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft des Leo Baeck Instituts zu verdanken, einer Einrichtung, die sich der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte widmet. Sie hat die Bismarck-Stiftung Schönhausen mit einer von ihr finanzierten Pilotstudie „Jüdische Geschichte für Flüchtlinge“ beauftragt, in die die Ausstellung eingebunden ist. Sie soll Anschauungsmaterial bieten, wenn in diesem Pilotprojekt Möglichkeiten ausgelotet werden, wie jüdische Geschichte für die aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen stammenden Neuankömmlinge vermittelt werden kann: als Gegenstand der Begegnung und des Dialogs und Teil der deutschen und europäischen Geschichte. Jüdische Geschichte eigne sich dazu, gerade weil sie Aspekte des Funktionierens des Zusammenlebens von Glaubensmehrheiten und –minderheiten berührt, aber auch Fragen nach dem Entstehen von Vorurteilen, der Verbreitung von Parolen und Gerüchten aufwirft“.

Darauf bezog sich in ihrem Grußwort Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum. Sie sprach in dreifacher Funktion: als Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung, als Vertreterin der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Leo Baeck Instituts und sehr bewusst auch als Wuster Bürgerin in Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit und deren Instrumentalisierung. Als Einrichtung der Forschung und Lehre der Technischen Universität zu diesem Thema habe das Zentrum für Antisemitismusforschung auch die Aufgabe, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Dafür würden einerseits Mitarbeiter benötigt, die sich dieser Aufgabe widmeten – wie Dr. Isabel Enzenbach es mit dieser Ausstellung getan hat –, andererseits aber auch Partner im außeruniversitären Bereich, die es ermöglichten, das an der Universität Erarbeitete an verschiedene Orte zu bringen. Einmal mehr erweise sich hier die bedeutende Rolle der Bismarck-Stiftung Schönhausen für die Region: Nach dem von der Stiftung initiierten Projekt „Kunst für Demokratie", das bereits für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt habe, werde sich nun ein ganz besonderes Augenmerk wegen des Pilotprojekts „Jüdische Geschichte für Flüchtlinge" auf Schönhausen richten. Da es sich um das erste derartige Projekt deutschlandweit handele, werde es von Bedeutung über Berlin hinaus für ganz Deutschland sein.

Mit Spannung erwartet Prof. Schüler-Springorum die Ergebnisse, die an der Berliner TU vorgestellt werden sollen. Sie ist sich sicher, dass die Themen, die für die Region in Kooperation mit der Stiftung angegangen werden können, so schnell nicht ausgehen. Damit sieht sie die Bildungstätigkeit in Schönhausen auf ebenso gutem Wege wie Gerhard Miesterfeldt, der die Einbeziehung des Bismarckschen Geburtsorts in das Gesetz über die Errichtung einer Otto-von-Bismarck-Stiftung als ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet.