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125. Geburtstag Auch Marlene Dietrich verehrte Konstantin Paustowski

Als Konstantin Paustowski lebte, waren Russland und die Ukraine noch nicht verfeindet. Er gehörte zu beiden Welten; und das ist nur ein Grund, den sowjetischen Reiseschriftsteller neu zu entdecken.

Von Friedemann Kohler, dpa 30.05.2017, 23:01

Moskau (dpa) - Der sowjetische Schriftsteller Konstantin Paustowski schrieb über Natur, über Menschen und bewahrte sich in schwierigsten Zeiten einen unbescholtenen Ruf. Vor 125 Jahren, am 31. Mai 1892, wurde er geboren.

Vom Weltruhm, den Paustowski in den 1950er und 1960er Jahren genoss, ist nicht viel geblieben. Wer ihn heute auf Deutsch lesen will, muss vorwiegend in Antiquariaten nach seinen Werken suchen. Doch hier sind fünf gute Gründe, sich Paustowski wieder zu nähern:

1) "Moskauer von Geburt, Kiewer im Geist"

"Ich habe Glück gehabt. Ich bin in der Ukraine aufgewachsen. Ihrer Poesie hat meine Prosa viel zu verdanken" - das schrieb der Russe Paustowski. Sein Lebensweg zwischen Moskau und Kiew wäre heute kaum noch möglich. Das Zarenreich und die Sowjetunion vergingen, Russland und die Ukraine sind getrennt, es herrscht Krieg. Aber sein Beispiel erinnert daran, dass die russische Kultur damit eine Wurzel verliert.

Paustowski stammte aus Moskau, doch Kindheit und Jugend verbrachte er in der offenen, südlichen Atmosphäre von Kiew. Zeitlebens kehrte er immer wieder in die ukrainische Hauptstadt zurück und schuf hier Teile seiner sechsbändigen Autobiografie "Erzählung vom Leben".

2) Ein unermüdlicher Reisender

Paustowski ist ein Autor für Menschen, die das Reisen lieben. Er wechselte Städte und Jobs, war Fischer und Metallarbeiter, lebte in Odessa, im Donbass, im Kaukasus, bereiste das Kaspische Meer und den Norden von Persien. Er diente als Sanitäter im Ersten Weltkrieg, besuchte die Baustellen der jungen Sowjetindustrie in den 1930ern, berichtete von der Front im Zweiten Weltkrieg. Aus diesen Erfahrungen erwuchsen tief empfundene Erzählungen von Menschen und Landschaften.

3) Eine aufrechte Seele in der Stalin-Zeit

Mit seinen Reise- und Naturschilderungen entzog sich Paustowski dem Druck von Diktator Josef Stalin auf die sowjetische Literatur. Er blieb ein aufrechter Einzelgänger. "Paustowski brachte es fertig, die Jahre der unsinnigen Lobeshymnen auf Stalin zu durchleben und kein Wort über den Führer aller Zeiten und Völker zu schreiben", erinnerte sich sein Sekretär Waleri Druschbinski. Im Gegenteil: In späteren Jahren setzte sich Paustowski für seine verfolgten Kollegen Andrej Sinjawski und Alexander Solschenizyn ein.

4) Ein großer Lehrer

Paustowski lernte das Schreiben von den großen Schriftstellern aus der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer, von Isaak Babel ("Die Reiterarmee"), Walentin Katajew und Juri Olescha. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterrichtete er selbst am Gorki-Literaturinstitut in Moskau. Als verehrter Lehrer gab er sein Wissen und seine Haltung weiter an wichtige sowjetische Autoren wie Juri Trifonow ("Das Haus an der Moskwa"), Juri Bondarew ("Das Ufer") und Wladimir Tendrjakow.

5) Ein Kniefall von Marlene Dietrich

Die Filmdiva Marlene Dietrich (1901-1992) schwärmte für russische Kultur und für Paustowski. Als sie 1964 in Moskau gastierte, kam der alte Mann unerwartet auf die Bühne. Sie habe kein Wort Russisch über die Lippen gebracht, sondern sei in tiefer Verehrung vor ihm auf die Knie gegangen - so schreibt sie in ihren Erinnerungen. Paustowski starb 1968 in Moskau.

- Konstantin Paustowski: Der Beginn eines verschwundenen Zeitalters, Die Andere Bibliothek, Frankfurt/Main, 2002, 507 S., 36,00 Euro, ISBN 9783821845234.

Werke von Konstantin Paustowski auf Deutsch