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Zeitsprünge "Die Gesichter": Tom Rachman blickt auf die Welt der Kunst

Tom Rachman gelang mit "Die Unperfekten" ein internationaler Erfolg. Nun nimmt er sich die Kunstwelt vor.

Von Stephan Maurer, dpa 18.09.2018, 15:26

Berlin (dpa) - Gefeierter Maler, Star der Kunstwelt, zahlreiche Frauen, 17 Kinder: Das ist Bear Bavinsky, ein Kerl voller Saft und Kraft und von grenzenlosem Egoismus.

Nichts wünscht sich sein Sohn Pinch mehr als die Anerkennung des Vaters. Doch vergeblich, mit einer einzigen beiläufigen Bemerkung zerstört Pinch die Hoffnungen seines Sohnes, es dem Vater gleichtun und selbst ein erfolgreicher Maler werden zu können.

Tom Rachman, geboren 1974 in London, hat mit seinem 2010 erschienenen Debütroman "Die Unperfekten" gleich einen internationalen Bestseller gelandet. Der britisch-kanadische Autor, der selbst als Auslandskorrespondent gearbeitet hat, begab sich damals in das Journalistenmilieu in Rom. In seinem neuen Roman "Die Gesichter" wendet sich Rachman nun der Kunst zu und wirft einen vergnüglichen, auch sarkastischen Blick auf die Welt von Malern, Galeristen und Kritikern mit ihrem schönen Schein, ihren Eifersüchteleien und Rivalitäten.

Die Geschichte verläuft in Zeitsprüngen. Sie beginnt 1955 in Rom, als Pinch fünf Jahre alt ist. Seine Mutter Natalie ist halb so alt wie Bear, sie macht Keramik, aber steht völlig im Schatten des berühmten Ehemanns. Nach der Trennung wird sie in Depressionen versinken, während Bear fröhlich weiterzieht. Pinch eifert unterdessen dem Vater nach, beginnt zu malen - bis er das vernichtende Urteil kassiert: "Ein Maler bist du nicht, und du wirst auch nie einer werden."

Allzu schnell verabschiedet sich Pinch daraufhin von seinen Träumen, wird Sprachenlehrer, führt ein unscheinbares Leben mit unscheinbaren Beziehungen, die nicht lange halten. Und doch kommt er nicht los vom Übervater, wird dessen Vertrauter und schließlich sein Nachlassverwalter. Und nun nimmt sein Leben eine - nicht völlig überraschende - Wendung, Pinch führt die Kunstwelt an der Nase herum und straft nebenbei auch noch den Vater Lügen.

Das alles ist flott und anschaulich erzählt, Rachman springt von Rom nach New York, nach Toronto, nach London, nach Südfrankreich. Die gut 400 Seiten teilen sich in rund 90 kleine Szenen, fast eine Art Drehbuchvorlage, man meint schon den Film vor sich zu sehen. Nebenher liefert die Geschichte einen aufschlussreichen Einblick in die Mechanismen des Kunsthandels, beschreibt genüsslich das aufgeblasene Gerede von Kunstkritikern, die Wichtigtuerei von Galeristen - mit einem Wort von Bear Bavinsky: "Ist ein grausamer Schlamassel, die Kunst."

- Tom Rachman: Die Gesichter. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. dtv Literatur, München, 416 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-423-28969-6.

Tom Rachman bei dtv