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Tabor Süden ermittelt Friedrich Anis neuer Psychothriller

Ein Schriftsteller ist verschwunden. Die Aufgabe, ihn zu finden, bekommt Tabor Süden, langjähriger Ermittler in den Romanen von Friedrich Ani. Dessen neues Buch "Der Narr und seine Maschine" zeigt Südens Eigenwilligkeit sehr eindrucksvoll.

Von Axel Knönagel, dpa 16.10.2018, 12:19

Berlin (dpa) – Tabor Süden ist wieder da. Fünf Jahre, nachdem Friedrich Ani zuletzt den früheren Polizisten und späteren Privatdetektiv als Hauptfigur in einem Roman eingesetzt hat, kommt der eigenbrötlerische Experte für das Aufspüren verschwundener Menschen wieder zum Einsatz. Ani hat dem Roman den kryptischen Titel "Der Narr und seine Maschine" gegeben, der erst ganz am Ende entschlüsselt wird.

Der Roman beginnt am Münchner Hauptbahnhof. Tabor Süden ist gerade dabei, alle Verbindungen zu seinem bisherigen Leben zu kappen und irgendwo eine neue Existenz in der Anonymität zu beginnen. Er kann sich nur nicht entscheiden, wohin es gehen soll. Er will offenbar zu einem jener Verschwundenen werden, wie er sie früher als Polizist und Privatdetektiv gesucht hatte.

Aber erst einmal wird aus den Vorhaben nichts. Seine bisherige Chefin, von der er sich gerade verabschiedet hatte, bewegt ihn, doch noch in München zu bleiben. Ihre Detektei hat den Auftrag bekommen, einen verschwundenen Schriftsteller zu such, und sie ist davon überzeugt, dass nur Tabor Süden den Mann finden kann.

Süden macht sich an die Suche, aber sein einziger Anhaltspunkt ist das Hotel, in dem der verschwundene Schriftsteller Cornelius Hallig seit vielen Jahren gelebt hatte. In seiner ganz eigenen Vorgehensweise zieht er vorübergehend ins Zimmer des erfolgreichen Krimiautors ein. Langsam entwickelt er so ein Bild des Mannes, den er sucht, und dabei stellt er fest, dass ihm der Mann in vieler Hinsicht sehr ähnlich ist.

Wie sehr sich die beiden Männer ähneln, erfahren die Leser aus den Passagen, in denen der Roman Cornelius Hallig begleitet. Auch er hat sich ganz bewusst aus seinem bisherigen Umfeld abgesetzt. Wie Tabor Süden will auch er eine neue Phase in seinem Leben einleiten.

Schwer krank begibt sich Hallig auf eine Reise in seine Kindheit. Kaum in der Lage, auch nur ein paar Meter zu gehen, verbringt er eine Nacht in dem verfallenden Haus, in dem er als Kind gelebt hatte, und sucht dann nach anderen Orten seiner Vergangenheit. "Wie in Trance oder unter Hypnose war er den Fetzen und Fratzen seiner Träume gefolgt, verstört von der Verwandlung der Trugbilder in reale Straßen, Gebäude und Gesichter. Als wäre er sein eigener Traumfänger, durch dessen Magie die dunkelsten Schatten aus ihm wichen."

An einem diese Orte spürt Tabor Süden den Schriftsteller dann auch auf und verbringt einen ganzen Tag mit ihm. Dabei kommen viele Parallelen zwischen den beiden einsamen Männern zutage. Süden versteht den Mann in seinem Elend und will für ihn das Bestmögliche erreichen, das in dieser Situation überhaupt möglich ist.

Mit "Der Narr und seine Maschine" hat Friedrich Ani ein weiteres Mal einen komplexen Psychothriller mit einem höchst eigenwilligen Ansatz geschrieben. Ein Krimi ist der Roman nicht, aber das ist auch gar nicht Friedrich Anis Interesse, wie er kürzlich in einem Interview mit der "tageszeitung" betonte: "Bei mir geht es immer mehr um die Konflikte der Figuren und weniger um Ermittlungsmethoden."

Zudem ist "Der Narr und seine Maschine" auch eine Hommage an den amerikanischen Thrillerautoren Cornell Woolrich (1903–1968). Hallig erzählt Süden, dass er sein Pseudonym, unter dem ihn die Öffentlichkeit kannte, als Verbeugung vor Woolrich ausgewählt hatte, und Halligs Biografie weist zahlreiche Parallelen zu Woolrichs auf. Und dem Roman steht ein Zitat von Woolrich voran: "Ich habe nur versucht, den Tod zu überlisten. Ich wollte nur etwas länger am Leben bleiben, als mir zustand. Ein Narr und seine Maschine."

Der Roman weist alle klassischen Eigenschaften auf, für die Friedrich Ani bekannt geworden ist. Und der eigenwillige Tabor Süden ist die ideale Hauptfigur für diese Geschichte. Ihn wieder einzusetzen, war genau die richtige Entscheidung.

Friedrich Ani: Der Narr und seine Maschine. Suhrkamp Verlag, Berlin, 144 S., 18 Euro, ISBN 978-3-518-42820-7

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