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Homosexualität Geheime Liebe in schwerer Zeit: "Verwirrnis"

Christoph Hein hat als Dramatiker angefangen. Seinen großen Durchbruch feierte er jedoch in den 80er Jahren als Prosa-Autor. Sein neuer Roman führt zurück in die Anfangsphase der DDR.

Von Nada Weigelt, dpa 14.08.2018, 11:53
Christoph Hein meldet sich mit «Verwirrnis» zurück. Foto: Jens Kalaene
Christoph Hein meldet sich mit «Verwirrnis» zurück. Foto: Jens Kalaene dpa-Zentralbild

Berlin (dpa) - Kaum ein Schriftsteller hat die jüngste deutsche Geschichte so intensiv begleitet wie Christoph Hein.

Von der frühen Novelle "Der fremde Freund" über den vielgelobten Roman "Landnahme" bis zu den jüngsten Büchern "Glückskind mit Vater" und "Trutz" - immer wieder hat der Autor die deutsch-deutschen Befindlichkeiten in unvergleichlicher Weise auf den Punkt gebracht. In seinem neuesten Werk "Verwirrnis" erzählt der heute 74-Jährige die Geschichte einer schwulen Liebe, die dem gnadenlosen Muff der 50er Jahre in der DDR zu trotzen versucht.

Hauptfigur ist der junge Friedeward Ringeling, der sich in den neuen Mitschüler Wolfgang ("Wölfchen") verliebt. Homosexualität ist zu der Zeit noch tabu, Sex unter Männern strafbar - für einen verknöcherten Katholiken wie Friedewards Vater sogar eine "himmelschreiende Sünde". Mit dem Siebenstriemer versucht er, dem Sohn die "Sodomie" auszutreiben.

Dennoch leben die beiden jungen Männer ihre Beziehung, leiden aber zunehmend unter dem ständigen Versteckspiel und der Geheimtuerei. Als sie während des Studiums in Leipzig die Doktorandin Jacqueline kennenlernen, die mit ihrer Professorin ebenfalls eine heimlichen Beziehung hat, reift der Plan: Wenn einer der beiden Männer Jacqueline heiraten würde, wäre das für alle vier die perfekte Tarnung.

Christoph Hein erzählt diese Geschichte wieder als der scheinbar unbeteiligte, kühl distanzierte Chronist. Aber diesmal passt das nicht so recht. Die Figuren bleiben trotz ihrer existenziellen Konflikte seltsam blutleer, die Entwicklung ihrer Beziehung wirkt beliebig und der zeitgeschichtliche Hintergrund rasch abgespult.

Hinzu kommt die leicht verstaubte Sprache. Über Strecken liest sich die Geschichte wie ein chronologisch geführtes Tagebuch im O-Ton der 50er Jahre. Wenn das ein Kunstgriff sein soll, um Zeitzeugenschaft zu dokumentieren, wünscht man sich schleunigst den eleganten Sprachmagier der Jetztzeit zurück.

"Daran will ich mich später erinnern", dieses Motto stellt Christoph Hein seinem schmalen Roman voran - und lädt geradezu dazu ein, das Buch wieder als "autobiografische Fiktion" zu lesen, wie er seine Herangehensweise gern nennt. Denn tatsächlich kennt er als widerständiger evangelischer Pfarrerssohn aus einer Kleinstadt in der DDR viele Erfahrungen seiner Helden aus eigenem Erleben.

Gehörte womöglich auch die Liebe zu einem Mann dazu? In einem seiner spärlichen Interviews hatte der verheiratete Familienvater einmal lediglich berichtet, er sei mit dem für sein wechselvolles Leben bekannten Dichter Thomas Brasch (1945-2001) "sehr heftig eng befreundet" gewesen. Was ihn nun treibt, öffentlich solche Erinnerungen zu beschwören, gehört zu der "Verwirrnis", die dieser Roman hinterlässt.

- Christoph Hein: Verwirrnis, Suhrkamp Verlag Berlin 2018, 303 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-518-42822-1.

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