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Ein poetisches Meisterwerk Witzig und entlarvend: "Das geheime Leben des Monsieur Pick"

Es ist eine Sensation: Ein wortkarger Pizzabäcker von der rauen bretonischen Küste hat heimlich einen feingeistigen Liebesroman geschrieben. Die Entdeckung des Meisterwerks nach dessen Tod lässt Frankreich Kopf stehen - im neuen Roman von David Foenkinos.

Von Yuriko Wahl-Immel, dpa 11.04.2017, 13:41

Köln (dpa) - Ein charmanter Gedanke: Ein bretonischer Pizzabäcker, der 40 Jahre lang nicht im einmal das Tagesgericht an die Tafel schreiben mag, verfasst heimlich einen sinnlichen Liebesroman.

Entdeckt wird das poetische Meisterwerk erst nach seinem Tod, in einer Bibliothek für abgelehnte Bücher in der Küstengemeinde Crozon. Dort, in dem Zuhause für Manuskripte, die kein Verlag wollte, spürt Delphine Despero - eine junge Lektorin mit einem grandiosen Riecher für vielversprechende Werke - den Titel auf. Eine Sensation, die sogar über Frankreich hinaus die Welt der Verleger, Autoren und Medien aufmischt - und in mehrere Beziehungen hineinwirbelt.

So beschrieben im neuen Roman "Das geheime Leben des Monsieur Pick" von David Foenkinos, der voller Überraschungen steckt und mit viel Augenzwinkern verfasst ist. Im Mittelpunkt steht Delphine, verliebt in den gedemütigten, weil erfolglosen Frédéric Koskas, dessen Erstlingswerk "Die Badewanne" kolossal floppt. Sie besuchen Delphines Eltern in Crozon, wo sie zufällig von der "literarischen Mülldeponie" erfahren, bei der Desillusionierte ihre verschmähten Bücher abgeben können. Die Neugier der Lektorin ist geweckt.

Sie entdeckt das Manuskript "Die letzten Stunden einer großen Liebe" von Henri Pick. Der Rummel beginnt, der Titel wird zum Knüller, Journalisten überschlagen sich. "Pick erinnert mich an den letzten (Michel) Houellebecq", lässt Foenkinos einen Kritiker in seinem Roman sagen. Das Pick-Buch wird zum Riesenerfolg auch in Deutschland, wo ein Bericht des "Spiegel" den Pizza-Autor mit Schriftstellern wie J.D. Salinger vergleicht. Ein belustigter Seitenhieb des französischen Bestsellerautors Foenkinos auf den Literatur- und Medienbetrieb.

In Crozon gelangt derweil die Autor-Witwe Madeleine Pick (80) zu Prominenz, ein TV-Team steht in ihrem Wohnzimmer. Sie staunt. Ihr ungeschliffener Henri - doch ein empfindsamer Schriftsteller? Ein Buch habe ihr Mann nie in den Händen gehalten. "Außer dem Fernsehprogramm hat er nie etwas gelesen." Aber dann, welch wundersame Wandlung: Mit dem Lesen des Buches schwelgt Madeleine in verschütteten Erinnerungen ihrer ersten Liebe, vielleicht hat sie ihren schweigsamen Gatten ja doch verkannt.

Das lange unentdeckte Werk hat ungeahnte Auswirkungen auch auf viele andere Protagonisten, stellt noch dazu einige Beziehungen auf den Kopf. "Dieses Buch konnte Leben verändern", erfährt der Leser. Pick-Fans pilgern an den wilden Ort in der Bretagne. Der Bestand dieser ganz speziellen Bibliothek des Vergessens - sie hat ein reales Vorbild in den USA - wächst und wächst.

Dann kommt der Schock: Das Buch stammt doch nicht aus der Feder des unterschätzten Pizzabäcker-Genies. Verschwörungstheoretiker treten auf den Plan. Am Ende verrät Foenkinos - sein letzter Titel "Charlotte" wird derzeit verfilmt - sogar, wer der wahre Autor ist.

- David Foenkinos: Das geheime Leben des Monsieur Pick, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 336 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-421-04760-1.

Das geheime Leben des Monsieur Pick