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Erinnerungskultur Gegen das Vergessen: die Friedenspreisträger Assmann

Für seine Forschungen zur Erinnerungskultur nimmt das Ehepaar Assmann am Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen. Einen Schlussstrich unter den Zivilisationsbruch in Deutschland darf es für sie nicht geben.

Von Thomas Maier, dpa 12.10.2018, 13:56

Frankfurt/Main (dpa) - Das Ehepaar Assmann ist seit Jahrzehnten miteinander verheiratet - und eine Arbeitsgemeinschaft. "Es gibt unendlich viel zu entdecken, wenn ein Ägyptologe und eine Literaturwissenschaftlerin ins Gespräch kommen", sagte der 80-jährige Jan Assmann am Freitag auf der Buchmesse.

Er und seine Frau Aleida (71) haben sich mit der Erforschung der Erinnerungskultur über Deutschland hinaus einen Namen gemacht. Da haben die alten Ägypter mit ihrem Totenkult wertvolle Hinweise geliefert. Die Hochkultur am Nil schuf einst monumentale Denkmäler gegen das Vergessenwerden.

Die beiden Gelehrten, die heute in Berlin leben, gehören international zu den bekanntesten deutschen Geisteswissenschaftlern. Am Sonntag nehmen sie zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den renommierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen. Damit werden seit 1950 Schriftsteller, Philosophen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland geehrt.

Das Paar hat nach Ansicht des Stiftungsrats ein zweistimmiges Werk geschaffen, "das für die zeitgenössischen Debatten und im Besonderen für ein friedliches Zusammenleben auf der Welt von großer Bedeutung ist".

Aleida Assmanns Arbeiten zum kulturellen Gedächtnis ist es mitzuverdanken, dass Deutschland heute eine Erinnerungskultur hat, die weltweit als beispielhaft gilt. Dies versteht die Literaturwissenschaftlerin auch als Antwort auf den Holocaust. Nach dem "Historikerstreit" von 1986, bei dem es um die Frage der Einzigartigkeit des Genozids an den Juden ging, hat sich das Ehepaar maßgeblich für den Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin eingesetzt.

Angesichts der Flüchtlingsdebatte plädiert Aleida Assmann in ihrem jüngsten Buch "Menschenrechte und Menschenpflichten" (2017) für einen neuen Gesellschaftsvertrag. Darin müssten die Menschenrechte, Werte wie Empathie und Solidarität sowie ein Kanon von Regeln für ein faires und respektvolles Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten maßgeblich sein.

Jan Assmann hat mit seinen religionswissenschaftlichen Arbeiten und Büchern und seinen Thesen zum Monotheismus für Furore gesorgt. Dessen Anfänge sieht er im Auszug der Israeliten unter Moses aus Ägypten. Damit sei in der Religion die Unterscheidung von "wahr" und "falsch" in die Welt gekommen - mit fatalen Folgen vor allem später im Christentum und im Islam.

Anders als bei den Ägyptern wurde im messianisch-heilsgeschichtlichen Glauben an den einen strengen Gott in dessen Namen gemordet. Mit der Problematisierung des Zusammenhangs von (monotheistischer) Religion und Gewalt hat Assmann eine heftige Debatte in der Wissenschaft losgetreten. Assmann hat dabei deutlich gemacht, dass er den Monotheismus nicht verdamme, sondern sich gegen religiös-dogmatischen Fundamentalismus wende.

Mit dem Ehepaar Assmann, das fünf Kinder hat, wird zum zweiten Mal seit 1950 ein Ehepaar mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wohl selten ist bei Wissenschaftlern die Arbeit so eng miteinander verwoben wie bei den Assmanns. Dabei melden sie sich immer wieder zu den Themen der Erinnerungskultur zu Wort, die sie durch den Rechtspopulismus bedroht sehen.

Bei der Erinnerung an die deutsche Vergangenheit darf es nach Meinung der Wissenschaftler auch für künftige Generationen keinen Schlussstrich geben. Jeder könne über die Geschichte seiner Familie auch heute noch etwa mit Hilfe von Briefen persönlich recherchieren, sagte Aleida Assmann am Freitag.

In Sachen Erinnerungskultur nehmen die Assmanns die Deutschen auch bei einem anderen umstrittenen Thema - der Einwanderung - in die Pflicht. Sie fordern ein Migrationsmuseum. "Deutschland muss sich als Einwanderungsland neu erfinden", sagt die 71-jährige Aleida Assmann.

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels