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Land und Leute Launige Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wie lebt es sich in der ostddeutschen Provinz? Ein Journalist macht sich auf die Suche nach Menschen und Geschichten. Ein vergnügliches Reisebuch über schräge Typen, ausufernde Dorffeste und Brüche in Biografien.

Von Johannes von der Gathen, dpa 25.06.2019, 12:06

Berlin (dpa) - Um an exotische Orte zu kommen, benötigt der Reporter nur den Regionalzug. Den "Prignitz-Express" zum Beispiel. Da steht der Besucher aus dem lauten Berlin dann schnell auf stillen Dorfplätzen, blickt in schattige Alleen, und hinten funkelt das Sonnenlicht auf einem See. Menschen sieht er meistens keine. Die muss er hier schon suchen.

Cornelius Pollmer heißt der Reporter, der sich im vergangenen heißen Sommmer aufgemacht hat, um auf den Spuren von Theodor Fontane den ländlicher Raum rund um die Hauptstadt zu erkunden. "Heut ist irgendwie ein komischer Tag" nennt der 1984 in Dresden geborene Journalist seine vergnüglichen Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Dabei geht es Pollmer nicht um verwunschene Schlösser und malerische Dorfkirchen, sondern um die speziellen Befindlichkeiten der Menschen. Und die muss man erstmal ans Licht bringen.

Pollmer lässt sich treiben, wandert durch die Gegend, weiß am Nachmittag nicht genau, wo er abends schlafen wird. Zur Einstimmung hat er eine "literarische Butterfahrt" mit einem allwissenden Fontane-Experten gebucht, aber beflissene Bildungsbürger sind nicht so sein Ding. Der Reporter sucht das wahre Leben und trifft in Fehrbellin auf Schniepa, den wuseligen Betreiber eines Trucker-Imbisses. Der Mann rackert von morgens bis abends, räsoniert in einer Tour über Gott und die Welt, und dann fährt er mit dem Reporter zur Siegessäule nach Hakenberg. Die Quasselstrippe scheint zu verstummen ob der wunderbaren Aussicht. "Ach, es ist schön hier", sagt Schniepa noch einmal. Dann zeigt er nach unten auf sein Auto und resümiert: "Oh, Scheiße, Schniepa ist ooch da".

Pollmer hat ein Faible für schräge Typen, und lässt auch so leicht keinen Kalauer aus. Die touristische Vermarktung von Fontane in dessen Geburtsstadt Neuruppin nennt er "All-you-can-read-Buffet" und fährt schnell weiter zu Herrn Krafft Freiherr von dem Knesebeck. Der heißt wirklich so, kommt aus dem Westen, und hat nach der Wende die Überreste des Familienschlosses am Ruppiner See restauriert. Erst wurde der adlige Wessi argwöhnisch geäugt, mittlerweile sorgt er für Arbeitsplätze, und ein Hundehotel betreibt er auch noch.

Pollmers Reisereportagen sind dann am besten, wenn er sich wirklich auf die Menschen einlässt. "Schnüffelchen, uns jeht es jut" nennt er die Geschichte von Gabi und Reinhard, die mehr als 30 Jahre verheiratet sind. Nach der Wende betrieben sie ein Geschäft für Haushaltswaren mit mehreren Angestellten. Dann ging es bergab, das Internet gab dem Laden den Rest, und jetzt sitzen die beiden auf einem Haufen Schulden. Trotzdem sind sie zufrieden, aber ganz ohne Larmoyanz kommen sie auch nicht aus. Prägnant arbeitet Pollmer die biografischen Brüche im Leben der Ostdeutschen heraus, jenseits aller DDR-Nostalgie. Und konstatiert "eine hinderliche Bescheidenheit im Osten".

Dazwischen erlebt der immer neugierige Journalist aus Sachsen reichlich skurrile Abenteuer: Pollmer blickt tief ins Bierglas beim Reiterball in der Spreewaldgemeinde Werben, wartet im Dörfchen Menz in der Nähe des Stechlinsees mit einem Kollegen auf den "Rufbus", der dann wirklich kommt, oder er lernt einen "Wedding Planner" kennen, der eins der bröckelnden Herrenhäuser in der Mark in ein Traumschloss verwandelt. Alles hübsche Geschichten, von denen aber manchmal nicht viel mehr als eine Pointe hängenbleibt. Er wollte die Gegend, sagt Cornelius Pollmer, so wie Fontane ganz unvoreingenommen in Augenschein nehmen. Dies ist ihm in seinen wundersamen Wanderungen durch die Mark weitgehend geglückt.

Cornelius Polmer: Heut ist irgendwie ein komischer Tag, Penguin Verlag, München, 235 S., 20 Euro, ISBN: 978-3-328-60060-2

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