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Essay "Gab es 1968?": Armin Nassehi schlägt Bogen zu heute

Ein Jahr, das für ein neues Lebensgefühl steht. Ein halbes Jahrhundert ist das her. Was ist geblieben, was hat sich überholt?

15.05.2018, 11:54

München (dpa) - 1968 war ein Bruch mit den traditionellen Werten und Autoritäten und schuf ein neues Lebensgefühl - soweit bekannt. Die 68er-Generation mit ihrem Marsch durch die Institutionen brachte einen tiefgreifenden Wertewandel.

Das sieht auch der Münchner Soziologe und Kursbuch-Herausgeber Armin Nassehi so und geht deshalb in seinem Essay "Gab es 1968?" über die konkrete Phase der Jahre 1967 bis 1969 hinaus. So sieht er zum Beispiel in der neuen Bildungspolitik - weg vom Beibringen eines alternativlosen Kanons hin zur Pluralisierung der Denkmöglichkeiten - eine implizit linke Form, die ab den 70ern eine Art gesellschaftliche Dauerreflexion hervorgebracht habe. Das sei das eigentliche Erbe von "1968", hinter das es kaum ein Zurück gebe und mit dem sich eben auch dessen Feinde auseinandersetzen mussten.

Ausgehend von dieser Annahme kommt Nassehi am Ende zu der These, dass die 68er-Macht langsam versiegt sei und wir nun in ein implizit rechtes Zeitalter gekommen seien. So ähnlich wie Linke in den 70ern und 80ern auch explizit Nicht-Linke geradezu genötigt haben, sich mit ihren Fragen zu beschäftigen, tun es nun die Rechten mit der Gegenseite.

Auch in der Popkultur sei ein Wandel sichtbar - ging es Popstars wie David Bowie zum Beispiel um ein Einreißen der Geschlechtergrenzen, kommt heute wieder mehr Helden- und Stammeskult zum Tragen, etwa in der weltweit erfolgreichen Fantasy­Fernsehserie "Game of Thrones". "Menschen werden wieder danach beurteilt, was sie sind, und nicht, was sie sagen." Kurz: "1968" gab es - aber es ist wohl größtenteils überholt.

- Armin Nassehi: Gab es 1968? Eine Spurensuche, Kursbuch-Edition, 232 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-9619-6008-8.