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Ausstellung Poesie im Alltag - Museum feiert Schöpferin der Wimmelbücher

Das Museum Wilhelm Busch in Hannover widmet Rotraut Susanne Berner zum 70. Geburtstag eine große Retrospektive. Fast drei Millionen Mal wurden ihre Geschichten aus Wimmlingen nach Verlagsangaben weltweit verkauft - doch die Wahl-Münchnerin hat noch mehr zu bieten.

Von Christina Sticht, dpa 17.08.2018, 15:32

Hannover (dpa) - Sie gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Illustratorinnen und hat vor elf Jahren sogar einen kleinen Kunst-Skandal ausgelöst. In einem ihrer Wimmelbücher für Kinder sollte vor dem Erscheinen in den USA bei einer Akt-Statue der kaum sichtbare Penis wegretuschiert werden.

Rotraut Susanne Berner lehnte die Zensur ab, der Vertrag platzte.

Die Künstlerin, die am 26. August ihren 70. Geburtstag feiert, kann noch heute über die folgenden hitzigen Kommentare diesseits und jenseits des Atlantiks schmunzeln. Das Kinderbuch wurde übrigens dann doch unzensiert inklusive Mikro-Penis, einem weiblichen Akt und sogar ein paar Rauchern von einem anderen US-Verlag herausgebracht.

Die Szene des Anstoßes ist in ihrem neuen Buch "Sammel & Surium" (Gerstenberg Verlag) abgedruckt, das parallel zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Wilhelm Busch in Hannover erscheint. Rund 500 Bilder und Skizzen sind in der von Berner selbst kuratierten Schau zu sehen. Die in München lebende Zeichnerin und Autorin hat dafür in Schubladen gewühlt und sich intensiv mit ihrem Leben und Werk beschäftigt. Das Abtauchen in die vergangenen 40 Jahre sei ihr nicht leicht gefallen, sagt Berner. "Jetzt hängt es hier, ist ein Stück weg von mir und ich kann es genießen."

Einem breiten Publikum bekannt geworden ist die gebürtige Stuttgarterin mit den zwischen 2003 und 2008 erschienenen Wimmelbüchern, in denen sie ohne Worte Geschichten aus der fiktiven Kleinstadt Wimmlingen erzählt: Mehr als 80 sympathische und schrullige Figuren - Menschen und Tiere - tauchen immer wieder auf. Mittlerweile erscheinen die Bildergeschichten für die Jüngsten in 22 Ländern wie Russland, China oder eben den USA, die Auflage hat laut Gerstenberg Verlag bald die Drei-Millionen-Marke geknackt. Kinder lieben zudem ihre bei Hanser erscheinenden Abenteuer des Hasen Karlchen.

Berners Bücher beschreiben Alltägliches mit Poesie, Tiefgang und einen hintergründigen Humor. Sie sei eine späte Autorin, was vielleicht ihrem vorsichtigen Naturell entspricht, sagt die vielfach ausgezeichnete Illustratorin. Erst im Alter von 47 Jahren verfasste sie ihren ersten eigenen Text, zuvor machte sie sich mit der Gestaltung von etwa 800 Buch-Umschlägen und mit Illustrationen einen Namen. Sie arbeitete zum Beispiel mit Hans Magnus Enzensberger zusammen, schuf Roman-Cover etwa für T.C. Boyle und bebilderte zahlreiche Gedichtbände. In der Schau berühren ihre abgründigen Bilder wie "Als der Tod zu uns kam" mit dem Autor Jürg Schubiger.

Der Tod ihres Mannes Armin Abmeier 2012 habe sie auch in eine Schaffenskrise geführt, sagt Berner. Am Herzen liegt der Künstlerin die Herausgabe der "Tollen Hefte", die sie nach dem Tod ihres Mannes übernommen hat. Aus den Heften, die Schriftsteller und Zeichner zusammenbringen, stammt auch ihre jüngste Arbeit in der Schau, "Schlaraffenbauch", eine Illustration der Gedichte des Österreichers Michael Hammerschmid.

Als Kind der 50er Jahre ist sie inspiriert von Erich Kästners Illustrator Walter Trier. Zudem verehrt sie den Schöpfer von "Max und Moritz". "Mein Vater hat mir damals Comics verboten, aber Wilhelm Busch erlaubt", erzählt sie.

"Dem einfachen Strich geht eine lange Phase von Arbeit voraus", sagt Berner. Um Charaktere zu entwickeln und nicht immer die gleichen Gesichter zu zeichnen, setzt sie sich ins Café und schaut Menschen an oder studiert Fotobücher. In den Wimmelbüchern ist auch ihr Mann Armin als Buchhändler verewigt. Die Figur Susanne ist der Autorin zumindest in einem Punkt ähnlich: "Ich verliere auch immer meine Mützen und Hüte, selbst wenn ich sie im Taxi auf dem Schoß halte."

Infos zur Ausstellung