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Sanierung Endspurt bei der Berliner Staatsoper

Die renovierte Staatsoper Unter den Linden nimmt neue Gestalt an. Nach jahrelangem Umbau arbeiten Handwerker nun an Details. Am 3. Oktober soll die Übergabe sein.

Von Esteban Engel, dpa 06.07.2017, 07:56

Berlin (dpa) - Artischocken, überall Artischocken: Sie schimmern auf dem feinen Stoff, der die Gänge der Staatsoper Unter den Linden umhüllt. Meterlang spannt sich das Gewebe mit dem barocken Motiv über die Wände, auf fünf Etagen rund um den Opernsaal, mal in Teegelb, mal in Rosebeige oder Resedagrün.

Seidenstoffe, Goldverzierungen, Stuckmarmor, kilometerlang und tonnenschwer. Knapp drei Monate vor der Wiedereröffnung der Lindenoper in Berlin am 3. Oktober zeichnen sich die Umrisse des neuen Prachtbaus ab. Wer sich zwischen Gerüsten, Farbeimern und Kabel zwängt, bekommt eine Ahnung, was mit den 400 Millionen Euro passiert ist, die in die Renovierung fließen. Am kommenden Dienstag beginnt der Umzug der Oper vom Ausweichquartier im Schiller Theater in die neue alte Heimat.

Es ist Millimeterarbeit, die zum Beispiel Heinrich Hetzer und seine Kollegen vollbringen. Rund 3000 Quadratmeter Stoff müssen sie an den Innenwänden der Staatsoper anbringen. So glatt, dass kein Staubrest beim Berühren spürbar sein darf. Und sie müssen alles kleben, nicht nageln oder tackern, wie es sonst üblich ist. "Wann der Kunde was will, dann kriegt er das", sagt Hetzer im schönsten Wiener Tonfall.

Die Geschichte von Hetzers Brokatmanufaktur reicht bis in das frühe 19. Jahrhundert. Hetzer hat Paläste und Theater bespannt, kennt die Geheimnisse der Farben und Garne. In Berlin trifft er auf einen besonders anspruchsvollen Bauherren, der mit der Staatsoper einen teuren Spagat vollbringt.

Das im 18. Jahrhundert im Rokoko-Stil erbaute Haus sollte wieder in historischer Gestalt hergerichtet werden. Doch nicht wie zu Zeiten Friedrich des Großen (1712-1786), der den Theaterbau einst in Auftrag gab, sondern so wie der Architekt Richard Paulick (1903-1979) das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Gebäude zu DDR-Zeiten wieder errichtete.

Andreas Schudrowitz musste sich mit DDR-Farben beschäftigen. Ihre besondere Zusammensetzung spielte bei der Suche nach dem richtigen Ton für den Saal eine wichtige Rolle. Bis zu 34 Mitarbeiter hatte seine Firma bisweilen auf der Baustelle. Sie haben sechs Kilometer Leisten bemalt, Tausende Blättchen einer Bronzelegierung als Blattgold-Ersatz verklebt. Im August wollen sie fertig sein.

Schudrowitz streicht über den Stuckmarmor der Schneckentreppe zur Garderobe. Grau glänzt hier das Imitat, die Oberfläche ist nicht ganz so kühl wie das Original. Der aus Gips gemischte Stoff bestimmt das Bild in weiten Teilen der Staatsoper. Stuckmarmor lässt sich leicht bearbeiten. Die Preußen waren pragmatisch und sparsam, echter Marmor war damals teuer.

Überhaupt ist in der Staatsoper - wie es eben zu einem Theater gehört - viel Kulisse. Das Interieur besteht im Prinzip aus Tausenden beweglichen Wandteilen und Verzierungen, die zu Beginn der Arbeiten abmontiert wurden. Jedes Teil bekam eine Nummer. Jetzt setzten die Handwerker alles wie in einem Puzzle wieder zusammen.

Andere pinseln und polieren, auch in luftiger Höhe über dem Parkett, jetzt sogar noch höher als früher. Denn die Saaldecke ist mit der Sanierung um fünf Meter gehoben worden. Generalmusikdirektor Daniel Barenboim wünschte sich eine größeren Klang. Dafür musste eine neue Galerie geschaffen werden. Sie soll dafür sorgen, dass die Musik nicht gleich abklingt, sondern sich 1,6 Sekunden lang hält, eine halbe Sekunde mehr als bisher.

Auch der unterirdische Bau, der das Intendantenhaus mit dem Haupthaus verbindet, gehört zu den Neuerungen. Fast 30 Meter lang und 17 Meter breit wurde die Halle in den Sandboden gebaut und mit Beton gegen das Grundwasser abgesichert. Hier sollen die Kulissen angeliefert und vormontiert werden.

Claus Grasmeder gehört zur technischen Leitung der Staatsoper und ist ein vorsichtiger Mensch. Klar wird die Staatsoper pünktlich fertig, sagt er. Ja, Abstriche habe man machen müssen, das sei bei jedem Bau normal, vor allem in der komplizierten Berliner Mitte. Man hatte sich zum Beispiel einen komfortableren Weg für die Künstler in den Saal gewünscht.

Derweil malt Dirk Seesemann an der Schabracke. Auch das ist eine Neuerung. Denn bisher fehlte der feste Vorhang, der in vielen Theatern den beweglichen Hauptvorhang von der Decke trennt. Nun wird ein optischer Übergang geschaffen. Doch auch der ist nur Kulisse. Seesemann bemalt nicht Stoff, sondern eine Attrappe aus Holz.

Staatsoper Unter den Linden