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Der Kaufmann von Venedig Joachim Meierhoff als Shakespeares Jude Shylock

Theaterstar Joachim Meyerhoff, der auch als Autor ("Alle Toten fliegen hoch") viele Fans hat, spielt in Hamburg den Juden Shylock in Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig". Premiere ist am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Von Ulrike Cordes, dpa 28.01.2018, 10:23

Hamburg (dpa) - Es sind Menschen ohne echten inneren Kern, die hier die Bühne bevölkern. Diese Christen feiern immerwährenden gewaltigen Karneval, tragen Masken und wechseln jäh ihre Kostümierung. Spielen Spiele und bleiben doch traurig. Erwerben Liebe für Bares und verachten Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten.

So einer ist Shylock - seines Zeichens Geldverleiher und Jude. Als Einziger scheint er eine festgefügte Identität zu besitzen. Doch auch das bedeutet nichts Gutes. Denn rabenschwarz gekleidet und dabei wie geschnitzt wirkend, wandelt Shylock (Joachim Meyerhoff) auf Erden gnadenlos unversöhnlich in seinem Hass auf die Christen.

Er verlangt den Wucherzins eines Pfunds Fleisch aus dem Körper seines Kontrahenten, des melancholischen Kaufmanns Antonio (Carlo Ljubek), dem er 3000 Dukaten gegeben hat. Und die dieser wegen einer wirtschaftlichen Notlage nicht zurückerstatten kann. Zu solch hasserfülltem Tun treibt Shylock, dass er als gebrandmarkter Außenseiter eigentlich das Opfer seiner Mitmenschen ist. Auf Gewalt antwortet er mit Gewalt. Doch am Ende - nach einer gewitzten Gerichtsverhandlung mit der als Anwältin verkleideten jungen Portia (Angelika Richter) - wird er halbnackt und gebrochen irgendwo im Dunkeln landen. Verurteilt, sein Vermögen an Christen abzugeben - und zum Christentum zu konvertieren. Seine idealistische Tochter Jessica (Gala Othero Winter) verfällt derweil dem Wahn.

Das zeitlos düstere und zwiespältige Gesellschaftsbild zeichnet Karin Beier am Deutschen Schauspielhaus Hamburg in ihrer Inszenierung von William Shakespeares um 1600 geschriebenem Stück "Der Kaufmann von Venedig". Mit dem Theaterstar Meyerhoff als energetischem und eloquentem Mittelpunkt hat ihre um moderne Fremdtexte und Alltagswörter erweiterte Aufführung am Samstag Premiere gefeiert - dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Naziterrors. Viel Beifall zollte das Publikum dem zehnköpfigen Ensemble und seiner Regisseurin, die zugleich Intendantin des Schauspielhauses ist. Sinnfällige akustische Zeichen setzt an dem Abend eine Zwei-Personen-Band mit Kompositionen von Jörg Gollasch.

Bei aller abgründigen menschlichen Tristesse respektiert Beier die Bezeichnung des Werks durch den Autor als "Komödie". Es geht durchaus launig und unterhaltsam zu an den beiden Handlungsorten Venedig und Belmont, dem Sommersitz der reichen Portia. Menschen in elisabethanischen Kleidern werfen sich Bälle zu, begeben sich auf die Jagd nach so etwas wie Liebe und Freundschaft. Angenehm schlicht ist dabei das Bühnenbild: Johannes Schütz hat eine riesige Fassade nahe der Rampe aufgestellt, deren erste Etage anfangs als Laufsteg für sich produzierende Jünglinge dient. "Jeder Mensch ist ein Kunstwerk. Jeder Mensch ist ein Künstler, der jederzeit das Recht hat, sich in das Kunstwerk zu verwandeln, das er oder sie sein möchten", heißt es dazu aus dem Mund einer Bühnenfigur.

An Identität wird also nicht einmal mehr geglaubt in dieser künstlichen Welt. Die symbolhafte Fassade reißen zwar vermummte, als Juden verkleidete Aktivisten unter lautem Geschrei im Verlauf des Geschehens ein. Viel mehr als Trümmer hinterlassen sie aber nicht. Das Komödienhafte an der Geschichte ist schließlich wohl die ironische Erkenntnis von der Gleichheit aller Menschen in Bezug auf eine innere Leere, die sie mit Geld und Gut ausfüllen wollen. Was bei Niemandem klappen kann. "Was sind die Christen doch für Menschen. Ihr eigner harter Umgang in Geschäftsdingen lässt sie von sich auf andere schließen", sagt Shylock - ist dennoch selbst nicht frei von ausufernder Berechnung.

Deutsches Schauspielhaus