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Staatsoper Hamburg Mozarts "Così fan tutte" als quietschbunter Slapstick

Die Staatsoper Hamburg bringt zur Saisoneröffnung Mozarts "Così fan tutte" neu heraus. Herbert Fritsch inszeniert die Oper als rasanten Slapstick, lässt aber auch Raum für die seelischen Abgründe des Treue-Experiments.

Von Julia Tann, dpa 09.09.2018, 09:55

Hamburg (dpa) - Die Handlung von "Così fan tutte" hält streng logischem Denken nicht stand. Da verabschieden sich zwei junge Männer von ihren Verlobten, die Tränen fließen, aber kaum sind die beiden angeblich abgereist, kommen sie zur Hintertür wieder herein, diesmal verkleidet. Und den Schwindel sollen die Mädchen nicht bemerken?

Herbert Fritsch, der Mozarts spätes Meisterwerk an der Hamburgischen Staatsoper zur Saisoneröffnung neu inszeniert hat, hält sich mit derlei Plausibilitätsfragen nicht lange auf. Er macht das Ganze zum Slapstick von einem Tempo und einer Dichte, dass kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Zum anhaltenden Jubel des Premierenpublikums.

Als Einheitsbühnenbild hat sich Fritsch einen geradezu psychedelisch bunten Chemiebaukasten ausgedacht. Mehr als ein paar undefinierbare geometrische Formen braucht er gar nicht auf die Bühne zu werfen für den unbarmherzigsten Labor-Liebesversuch der Operngeschichte. Die beiden Männer haben nämlich mit dem alten Strippenzieher Don Alfonso gewettet, ob die Frauen ihnen die Treue halten werden, wenn andere Verehrer auftauchen.

Was im echten Leben absurd erschiene, ist im Theater Realität. Fritsch nimmt auch das Absurde ernst: Er spickt das Stück nur so mit Pointen und schreckt vor Albernheiten nicht zurück. Da rockt ein selbstspielendes Cembalo auf der Bühne plötzlich eine wüste Fassung der "Kleinen Nachtmusik" - wo es doch sonst brav die Rezitative begleitet.

Wenige Pinselstriche charakterisieren die Figuren: Fiordiligi zieht immer wieder eine Schnute vor Entsetzen über ihr eigenes Wanken, während Dorabellas Verführbarkeit in jedem Augenaufschlag und jedem Hüftschwung liegt. Fritschs Regie lebt von seiner eigenen Gesten- und Bewegungssprache. Sie wirkt stilisiert und ist doch unmittelbar verständlich - und urkomisch sowieso. Victoria Behr, Fritschs langjährige Kostümbild-Partnerin, steckt das Personal mal in frech verfremdetes Rokoko und mal in Fantasieuniformen.

Das Solistenensemble macht seine Sache hervorragend. Das stimmliche Niveau ist makellos und erfreulich homogen, und die Sänger lassen sich voll auf Fritschs Regie ein. Sylvia Schwartz als Despina und Pietro Spagnoli als Don Alfonso übertreffen einander an Witz und Genauigkeit, wenn sie die Intrige bis zur bitteren Neige fortspinnen. Jedes Wort ist zu verstehen, in den Rezitativen feuern sie wahre Salven ab.

Kartal Karagedik ist ein heißblütiger Guglielmo, und Dovlet Nurgeldiyev macht Ferrandos Erschütterung über Dorabellas Untreue spürbar. Nicht zu glauben, dass die junge Mezzosopranistin Ida Aldrian kurzfristig als Dorabella für Stephanie Lauricella eingesprungen ist. Und für die anrührendsten Momente an diesem Abend sorgt Maria Bengtsson als Fiordiligi, die den inneren Konflikt der Figur mit ihrem vollreifen Sopran in betörenden Piano-Nuancen ausbreitet. Auch dafür lässt Fritsch ihr die Zeit.

Staatsoper Hamburg