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Schauspiel Dortmund Pionier des Digitalen: Wie Kay Voges Theater verändert

Wenn das Schauspielhaus Dortmund am Sonntag 50. Geburtstag feiert, kann es das mit neuem Selbstbewusstsein tun: Längst ist es aus dem Schatten anderer Bühnen getreten und hat eine Vorreiterrolle angenommen - dem experimentierfreudigen Leiter Kay Voges sei Dank.

Von Florentine Dame, dpa 21.09.2018, 07:12

Dortmund (dpa) - Als Kay Voges 2010 Intendant des Schauspiels Dortmund wurde, gab es im Technik-Fundus gerade mal einen analogen Video-Camcorder. Inzwischen hat der Theatermacher die Bühne zum technisch versierten Experimentierfeld für das Theater im digitalen Zeitalter ausgebaut - und wird dafür gefeiert.

Dreimal hintereinander heimsten er und sein Team einen Kritikerpreis als NRW-Theater des Jahres ein. 2017 belohnte eine Einladung des Stücks "Die Borderline Prozession" zum Berliner Theatertreffen den Wagemut, mit dem Voges inszeniert.

Wie gelingt es, ein Theater im Schatten zahlreicher anderer Häuser zu einem der wichtigsten Impulsgeber für den digitalen Wandel am Theater auszubauen? Es sei "eine anstrengende Abenteuerreise", sagt der 46-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Am Sonntag feiert die Spielstätte 50-jähriges Bestehen - und mit Voges einen Mann, der dem Schauspiel Dortmund zu bundesweiter Beachtung verhilft.

Schauspieler, Bühnenbild und Kostüm sind ihm nicht genug. Er setzt auf aktuelle Themen von Überwachung bis zur Selbstoptimierung, die er mit den Mitteln der Digitalisierung umsetzt: Er mischt Elemente des Kinos, Videokunst, Tonregie, Schnitttechnik und verwebt die Künste zu einem Live-Spektakel. Für ihn selbstverständlicher Auftrag eines Stadttheaters: "Schon immer bringen wir ein Sinnbild von Welt auf die Bretter, dann ist doch die Frage relevant, wie wir ein Sinnbild unserer digitalisierten Gegenwart auf die Bühne bringen. Dafür müssen wir auch versuchen die Mittel der Gegenwart zu verstehen und mit ihnen umzugehen."

Als er vor acht Jahren nach Dortmund kam, stand er damit für einen Generationswechsel, der dem treuen Schauspielpublikum anfangs sauer aufstieß. Vor allem, dass er einen Großteil des Ensembles austauschte, musste er erst wieder gutmachen. Auch seine oft grelle, bewusst überfordernde Erzählweise verschreckte so manchen Freund traditioneller Theaterkunst. Inzwischen hat er einen eigenen Zuschauerkreis aufgebaut - jünger und bunter als früher, wie er sagt.

Gerade erst hat er die Uraufführung seines neuesten Coups hinter sich und dabei buchstäblich Raum und Zeit überwunden: Mit der Simultanaufführung "Parallelwelt" erzählten Berliner Ensemble und Schauspiel Dortmund zeitgleich, aber in zwei Städten dieselbe Lebensgeschichte einmal vor- und einmal rückwärts. Auf Leinwänden zeigte Voges das Geschehen auf der jeweils anderen Bühne und ließ die beiden Aufführungen zu einer verschmelzen.

Eine typische Voges-Technik kommt dabei zum Einsatz: Kameras auf der Bühne fangen Livebilder ein, die dem Publikum eine ganz andere Perspektive vermitteln. Doch was scheinbar große Nähe vermittelt, entpuppt sich manchmal als unvollständiger Ausschnitt einer größeren Wirklichkeit. Genau das will Voges entlarven: "Theater ist der einzige Ort, wo sich die Differenz zwischen Herstellung und Wirkung von Bildern zeigt", sagt er. Während Film und Fernsehen nur Endprodukte zeigten, könne sein Publikum über die selektive Entstehung der Bilder reflektieren und so etwas lernen über die Welt der Dauerberieselung, in der wir leben.

Bei Voges sei die Auseinandersetzung mit dem Hype-Thema Digitalität weit mehr als werbewirksames Stichwort oder PR-Strategie, sagt Christian Römer, Referent für Kultur und Neue Medien bei der Heinrich-Böll-Stiftung. "Er hat wirklich eine Welle losgetreten in der deutschen Theaterlandschaft", sagt er. Mit seinem Ansatz will Voges Spuren in Dortmund hinterlassen - auch wenn er nach Auslaufen seines Vertrages im Jahr 2020 wohl andere Wege gehen wird.

Spielplan Theater Dortmund

Vita Intendant Kay Voges

Informationen zu "Parallelwelt"