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Leidenschaft und Liebe Theater-Patriarch Claus Peymann wird 80

Er ist ein aufmüpfiger Querdenker. Einer, der seit Jahrzehnten für das Theater kämpft und streitet. Jetzt feiert Claus Peymann, scheidender Intendant des Berliner Ensembles, seinen 80. Geburtstag.

Von Elke Vogel, dpa 06.06.2017, 10:37

Berlin (dpa) - Claus Peymann trägt sein Herz auf der Zunge. Auch nach jahrzehntelanger, steiler Karriere kämpft er noch mit der Leidenschaft eines jungen Heißsporns für das Theater.

Dabei ist der scheidende Direktor des Berliner Ensembles nicht zimperlich. Er teilt verbal gern und oft aus. "In meiner Gegenwart kann man sich nicht langweilen", sagt Peymann, der am Mittwoch (7. Juni) seinen 80. Geburtstag feiert. "Aber ich bin natürlich auch nicht zum Aushalten."

Gegen Politiker, Regisseure, Intendantenkollegen oder die Hauptstadtpresse richtete sich zuletzt immer wieder Peymanns Zorn. Nach 18 Jahren räumt er zum Ende der Spielzeit nicht ganz freiwillig den Chefsessel am Berliner Ensemble. An seinem Nachfolger - Oliver Reese vom Schauspiel Frankfurt - lässt der cholerische Theaterkönig kein gutes Haar. Peymann spricht dem 53-jährigen Reese das Genialische ab und beschimpft ihn als "handzahmen Verwalter".

Nach Stationen am Stuttgarter Staatstheater, Schauspielhaus Bochum und Wiener Burgtheater (Peymann: "Ich war der liebe Gott in Wien") kam der aus Bremen stammende Theatermann vor 18 Jahren in die deutsche Hauptstadt. Als "Reißzahn im Arsch der Mächtigen" war er im einstigen Brecht-Theater am Schiffbauerdamm angetreten. Nach knapp zwei Jahrzehnten feiert Peymann immer neue Zuschauer-Rekorde und ärgert sich über Kritiker, die seine Klassiker-Inszenierungen als museal bezeichnen.

Das Berliner Ensemble (BE), das er seine "zweite Haut" nennt, sei immer sein Traum-Theater gewesen, sagte der "Prinzipal alter Ordnung" bei seiner letzten Pressekonferenz als BE-Direktor. "Ich habe es nie bereut - natürlich nicht!", so Peymann. "Für mich ist das als Direktor ja die letzte Station, darüber bin ich natürlich traurig." Im angemieteten Haus in Berlin-Köpenick, wo sich im Garten Waschbären und Wildschweine tummeln, will er wohnen und damit Berlin treu bleiben.

Aber Ruhestand ist für den am 7. Juni 1937 als Sohn eines Studienrats geborenen Peymann natürlich nichts. In Stuttgart bringt er in der nächsten Saison Shakespeares "König Lear" auf die Bühne. Premiere ist am 16. Februar 2018. In der darauffolgenden Spielzeit inszeniere er in Wien, kündigte Peymann an.

"Das Entscheidende am Theater ist die Liebe", so der Regisseur und Theaterleiter. Diese Liebe zur Bühne, zu den Schauspielern und zum Publikum war in Peymanns stets werktreuen Inszenierungen am Berliner Ensemble immer spürbar. "Von Zynismus als Weltanschauung keine Spur", beschreibt er seine von manchen als altmodisch bezeichnete Herangehensweise. "Cool war hier nichts". Peymanns letzte am Berliner Ensemble entstandene Arbeit, Kleists "Prinz Friedrich von Homburg", wird der neue Intendant Reese im Repertoire behalten.

Peymann hat Theatergeschichte geschrieben. Von der Berliner Schaubühne - zu deren Gründungsmitgliedern er zusammen mit Peter Stein gehörte - und dem bürgerlichen, ihn nach seiner Zahnbehandlungs-Spendenaktion für RAF-Häftlinge nicht mehr duldende Stuttgart über "dieses proletarisch dunkle Kohlerevier-Theater Bochum" bis in die "Ersatzmonarchie" des Wiener Burgtheaters. Autoren wie Thomas Bernhard und Thomas Brasch, Botho Strauß, Peter Turrini, Peter Handke, George Tabori und Elfriede Jelinek gehörten und gehörten zu seinen künstlerischen Weggefährten.

Schlagzeilen machte Peymann jenseits der Bühne mit politischen Äußerungen und Aktionen - in späteren Jahren manchmal mehr als mit seinen Inszenierungen. Er zeigte Solidarität mit dem Dramatiker Peter Handke, als der Autor wegen seiner Serbien-Sympathie in der Kritik stand. Peymann selbst wurde scharf kritisiert, als er 2008 dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar ein Praktikum an seinem Theater anbot.

Das Theater ist für Peymann immer auch ein politischer Ort, an dem Missstände in der Gesellschaft angeprangert werden sollen. Theatermachen sei eine öffentliche Tätigkeit, sagte er einmal. "Folglich ist ein Theaterdirektor jemand, der sich zu Wort melden muss."

Vom Berliner Publikum verabschieden sich Peymann und sein Ensemble am 2. Juli mit einem "Der Abschied" überschriebenen Abend. Mit "unvergesslichen Momenten und Szenen, Liedern und Filmen aus vielen der 190 Inszenierungen der vergangenen 18 Jahre" geht die Ära Peymann dann zu Ende. "Am Ende gibt es auch ein Feuerwerk, das ich privat finanziere", so Peymann.

Berliner Ensemble