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Dauerregen Getreide versinkt im Wasser

Der Dauerregen der zurückliegenden Tage hat manche Äcker in Seen verwandelt, die Ernte ist in Gefahr.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 27.07.2017, 18:00

Schönhausen/Schollene/Scharlibbe l Gummistiefel anziehen muss Bernd Bleis, wenn er auf sein Weizenfeld am Rande der B 107 bei Schönhausen geht. Eigentlich würden hier nur noch Stoppeln stehen. Denn das Korn ist reif, könnte geerntet werden. Doch daran ist in den nächsten Tagen nicht zu denken. 65 Liter Regen sind von Montagabend bis Mittwochnachmittag gefallen, weiter nördlich in Rehberg sogar 80 Liter auf den Quadratmeter. „Von Ende Juni bis jetzt, also in vier Wochen, sind es 220 Liter gewesen“, hat Hubert Aselmeyer, der in Rehberg wirtschaftet, zusammengerechnet. Erst ein Viertel seines Getreides, das auf rund 350 Hektarn wächst, sind geerntet. „Schon am Montag, bevor der große Regen eingesetzt hat, sind wir beim Drusch im Boden versackt.“

Und damit entsteht ein neues Problem für die Landwirte: Der Boden wird verdichtet. Das erschwert dann wieder die Bestellung der Felder. Um den 20. August muss eigentlich der Raps in die Erde.

Auch Bernd Bleis denkt weiter: „Gerade war der Boden nach der Flut wieder richtig gut in Schuss. Struktur und Gefüge waren unter anderem durch Tiefenlockerung und Kalken bestens. Wir können jetzt gar nicht warten, bis alles schön trocken ist, sondern müssen, sobald es irgendwie geht, auf die Felder und ernten. Denn mit jedem Tag verliert das Korn an Qualität. Noch hat der Weizen Brotqualität, aber wenn es weiter so feucht bleibt, dann wächst das Korn aus und hat keine Backqualität mehr.“ Lediglich die 45 Hektar Gerste konnte Bernd Bleis vom Feld holen. Weizen, Raps und Roggen stehen noch.

Auch die Scharlibber Agrargenossenschaft hat die 134 Hektar Wintergerste noch trocken reingebracht, bevor der Regen einsetzte. Auf den Roggenschlägen waren die Mähdrescher auch schon im Einsatz, aber der Großteil steht noch, außerdem Weizen (270 Hektar), Triticale (37 Hektar) und Raps (120 Hektar). Die 38 Hektar Erbsen von bester Qualität sind zum Glück eingefahren. „Wir brauchen jetzt mehrere Tage Sonne und Wind“, hofft der für die Feldwirtschaft verantwortliche Arnim Glimm.

Während der Regen dem Getreide schadet, tut er anderen Pflanzen gut: Der Mais steht so hoch wie lange nicht, hat pro Pflanzen zwei Kolben angesetzt. Auf 230 Hektarn hat die Scharlibber „Elbeland“ Mais angebaut, um damit die Biogasanlage zu bestücken.

„Auch die Zuckerrüben sind immens gewachsen“, freut sich Arnim Glimm auf ein sehr gutes Ernteergebnis. Bedingt durch den Regen konnten auch schon zwei Grasschnitte getätigt werden, der Dritte wächst heran und vielleicht ist sogar ein Vierter möglich. Die Grassilage verwendet die Agrargenossenschaft für die Fütterung der Mutterkuhherde im Winter.

Seine Kühe musste Hubert Aselmeyer in Rehberg erst einmal in Sicherheit bringen. Die Wiesen vor allem in Havelnähe sind so nass, dass sich teilweise große Pfützen gebildet haben, so dass die Tiere im Schlamm oder sogar im Wasser standen. Sie wurden in höhergelegene Bereiche gebracht, auf denen es trocken ist.

Die GbR Reich in Wust hat ihre 230 Kühe ebenfalls umgetrieben, damit sie trocken stehen. „Hier im Trüben sind Wiesen und Äcker vollkommen nass. Die Gräben sind viel zu spät gemäht worden, es gab keinen Abfluss.“ Wieland Reich berichtet, dass im Keller seines Hauses in Wust zehn Zentimeter Wasser steht, „das hatten wir abgesehen vom Flutjahr seit mehr als 20 Jahren nicht.“ Lediglich fünf Prozent des Getreides konnte die GbR einbringen, mit mindestens 30 Prozent Einbußen rechnet Wieland Reich, „und so schnell können wir hier im Trüben nicht auf die Felder, bis die halbwegs trocken und befahrbar sind, dauert es...“

Die Schollener Agrargenossenschaft, deren Geschäftsführer seit Februar Christian Knees ist, musste rund 100 ihrer Kühe sogar per Transporter von den nassen Wiesen evakuieren, „das war ein Kraftakt, weil wir mit den Fahrzeugen kaum auf die Weiden gekommen sind“. Weil die Wiesen in Havelnähe aus Naturschutzgründen erst ab 15. Juli gemäht werden dürften, konnte die Genossenschaft noch nicht einmal den ersten Grünschnitt einholen, Roggen und Weizen stehen noch komplett auf den Äckern. Aber es gibt auch Grund zur Freude: Der Mais wächst auch auf den sandigen Schollener Böden hervorragend. Erstmals hat der Betrieb auch Kartoffeln angebaut, „die versprechen beste Erträge“, ist Christian Knees guter Hoffnung und froh, eine späte Sorte gewählt zu haben.

Die Getreidepreise, die derzeit gezahlt werden, sind durchschnittlich. Deshalb wäre bei guten Erntebedingungen auch ein schöner Erlös nach den Monaten, in denen die Bauern nur investiert haben, zu erzielen gewesen. „Noch ist die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir halbwegs über die Runden kommen“, bleibt Bernd Bleis zuversichtlich.

Gut sei, dass sich die Milchpreise endlich wieder stabilisiert haben und pro Liter zufriedenstellende 36 Cent gezahlt werden, „das reicht für eine zarte Null“. Fair wären 40 Cent.

Allerdings liegen hinter den Milchbauern auch magere Zeiten, in denen sie zubutterten, so dass dieses Minus erst einmal ausgeglichen werden muss – mit einer hervorragenden Getreideernte in diesem Jahr wohl nicht.