Ukraine-Krieg Der Ukraine gehen die Soldaten aus
Seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als 18 Monaten hat der ukrainische Grenzschutz über 20 000 wehrpflichtige Männer an der Flucht aus dem Land gehindert.
Seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als 18 Monaten hat der ukrainische Grenzschutz nach eigenen Angaben über 20 000 wehrpflichtige Männer an der Flucht aus dem Land gehindert. „Insgesamt haben die Grenzer seit dem 24. Februar vorigen Jahres etwa 14 600 Personen festgenommen, die illegal die Ukraine verlassen wollten“, sagte Grenzschutzsprecher Andrij Demtschenko am Dienstag im Nachrichtenfernsehen. Zusätzlich seien rund 6200 Männer mit gefälschten Ausreisegenehmigungen erwischt worden.
Viele Ukrainer versuchen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Wehrpflichtige Männer seien vor allem an der „grünen Grenze“ zu Rumänien und der Republik Moldau aufgegriffen worden, sagte Demtschenko.
Bei Kriegsbeginn war eine Generalmobilmachung samt Ausreiseverbot für wehrpflichtige Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren angeordnet worden. Der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge sind in den 27 EU-Staaten und in Norwegen, Schweiz und Liechtenstein allerdings mehr als 650 000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren als Flüchtlinge registriert. Diese hohe Zahl kratzt auch an dem Narrativ Kiews, dass das gesamte ukrainische Volk den Verteidigungskrieg gegen Russland vorbehaltlos unterstützt.
Ukrainische Stellen ziehen inzwischen in Betracht, die Auslieferung illegal ausgereister Wehrpflichtiger aus den EU-Staaten und anderen Ländern zu erwirken. Der Verkauf von Dokumenten für eine Freistellung vom Wehrdienst floriert in der Ukraine. Nach einer von Präsident Wolodymyr Selenskyj angeordneten Welle von Razzien mit Festnahmen in den Einberufungsstellen liegt der Preis für derartige Papiere nach Justizangaben inzwischen bei über 10 000 Euro.
Selenskyj sagte vor einigen Tagen, dass er alle Ausmusterungen, die durch die Wehrdienstämter ausgestellt worden sind, überprüfen lassen will. Zuvor hatte er alle Leiter dieser Dienststellen wegen des Verdachts der Korruption entlassen.
Um die Verluste an der Front zukünftig auszugleichen, erweiterte Kiew kürzlich den Kreis der Wehrtauglichen um Hepatitis- und HIV-Infizierte sowie Männer mit leichten psychischen und neurotischen Störungen. Andere Gruppen wie Studenten über 30 sollen demnächst hinzukommen.
„Das Problem ist, dass den Ukrainern die Soldaten früher ausgehen werden als den Russen. Und das wird am Ende der entscheidende Faktor sein“, hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Interview mit dem Politportal „Politico“ Ende Juni dieses Jahres gesagt. Deshalb plädiere er „immer für Frieden, Frieden, Frieden“. Anderenfalls werde die Ukraine „riesige Mengen an Reichtum und viele Menschenleben verlieren“ und es werde zu „unvorstellbarer Zerstörung kommen“. (dpa/uk)