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Wahl der neuen Führungsriege Grünen-Parteitag verspricht digitale Harmonie

Die Grünen häuten sich. Die Bundestagsfraktion ist ordentlich gewachsen und hat eine neue Führung. Auf dem Parteitag Ende der Woche wird ein Großteil des Spitzenpersonals ausgewechselt.

Von Martina Herzog, dpa 26.01.2022, 14:14
Vom Parteitag wird ein „Signal der Geschlossenheit“ erwartet.
Vom Parteitag wird ein „Signal der Geschlossenheit“ erwartet. Stefan Puchner/dpa

Berlin - Nach dem Wechsel aus der Opposition in die Bundesregierung stellen die Grünen beim digitalen Parteitag an diesem Freitag und Samstag ihre Führungsriege neu auf.

Der scheidende Politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schwärmte von der „Gestaltungslust“ seiner Partei. „Wir haben nach sechzehn Jahren jetzt endlich die Chance, dieses Land zu gestalten. Und die nutzen wir nun mit vereinten Kräften.“

Entsprechend wenig Kontroversen sind beim Parteitag zu erwarten. Macht wirkt disziplinierend, auch bei den Grünen. Zumal die neue Rolle noch so frisch ist, dass etwaige Misserfolge der eigenen Minister oder Krach mit den Koalitionspartnern SPD und FDP noch ausstehen. Ein Grüner spricht von „positivem Desinteresse“, wenn er die Haltung zum Parteitag beschreibt. Wozu natürlich auch das Corona-bedingt erneut digitale Format beitrage. Am Ende sei so selbst ein Parteitag nur eine weitere Videoschalte. Mit dem Laptop auf der heimischen Couch kommt keine vergleichbare Stimmung auf wie in einem Saal mit mehreren Hundert Parteimitgliedern.

Reden vor weitgehend leeren Rängen

Sowohl die scheidenden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck als auch ihre wahrscheinlichen Nachfolger Ricarda Lang vom linken Flügel und Realo Omid Nouripour werden ihre Reden vor weitgehend leeren Rängen halten müssen. Seit sie Minister geworden sind, äußern sich Baerbock und Habeck kaum noch zur Parteipolitik, sondern haben sich in ihre neuen Ämter als Außenministerin und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz gestürzt.

Der Versuch, das weitere Wachstum der Partei mit ihren zuletzt 125.000 Mitgliedern voranzutreiben, grüne Positionen weiterzuentwickeln und auch den Bundestagswahlkampf aufzuarbeiten, der mit 14,8 Prozent zwar ein historisch gutes, aber doch deutlich schlechteres Ergebnis als erhofft brachte - dafür wird die neue Parteiführung zuständig sein. Die Wahlen sind für Samstag geplant.

Ermittlungen wegen Corona-Bonuszahlungen

Die Kandidatin Lang holte zuletzt ein Fehltritt des alten Bundesvorstands ein, dem sie angehört. Denn kurz vor dem Parteitag wurde bekannt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleitet wegen Corona-Bonuszahlungen. Der Vorstand hatte im Winter 2020 solche Zahlungen in Höhe von 1500 Euro an alle Mitarbeiter der Grünen-Bundesgeschäftsstelle bewilligt. Sie selbst gibt sich gelassen: „Das ist ja bereits länger bekannt und die Boni wurden zurückgezahlt. Jetzt wird es noch mal von der Staatsanwaltschaft durchleuchtet, mit der wir vollumfänglich kooperieren.“ Sie gehe davon aus, dass das Thema dann auch abgeschlossen werde.

„Die Aufgabe der neuen Grünen-Vorsitzenden ist nicht vergleichbar mit der von Annalena und Robert“, sagte Nouripour der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht nicht darum, dass man als Führungsduo der Grünen die Lokomotive zieht, sondern es geht darum, dass wir alle zusammen den Betrieb am Laufen halten und Scharnierfunktion spielen zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Da muss man viel erklären.“ Geschäftsführer Kellner selbst warnte zum Abschied davor, es dürften keine „Abrisskanten“ entstehen zu Bündnispartnern, wie das bei der letzten Regierung im Bund gemeinsam mit der SPD geschehen sei. Gemeint sind gesellschaftliche Bewegungen etwa aus dem Umweltbereich, die den Grünen nahestehen.

„Partei wird ein eigenes Profil brauchen“

Abstimmung zwischen grünen Regierungsmitgliedern, Partei und Fraktion sei wichtig, führte Nouripour aus. Dennoch: „Die Partei wird ein eigenes Profil brauchen.“ Lang erklärt es ähnlich: „Der Koalitionsvertrag definiert das Regierungshandeln, er ersetzt nicht unser Parteiprogramm. Es wird Aufgabe der Partei sein, grüne Positionen weiterzuentwickeln und zu vertreten, auch über die Legislatur hinaus.“

Vom Parteitag erwartete Lang ein „Signal der Geschlossenheit“, wie sie der dpa sagte. „Trotzdem ist klar: Wir werden auch weiterhin lebendige inhaltliche Debatten führen. Das macht unsere Partei aus.“

Zu erwarten sind diese Debatten unter anderem bei Satzungsfragen. So macht sich der Bundesvorstand dafür stark, dass die Mindestzahl der Unterstützer erhöht wird, die nötig ist, damit ein Antrag für einen Parteitag eingereicht werden kann. Das soll verhindern, dass wie bei vorigen Parteitagen Tausende Änderungsanträge eingehen. Einige inhaltliche Anträge brächten den grünen Regierungsmitgliedern Ungemach, wenn sie Mehrheiten fänden - ob das geschieht, ist aber äußerst ungewiss. So fordert beispielsweise eine Gruppe von Antragstellern, die Anschaffung bewaffneter Drohnen in der aktuellen Legislaturperiode auszuschließen. SPD, Grüne und FDP hatten im November in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, eine Bewaffnung von Drohnen zu ermöglichen.

Der Zank zwischen den Parteiflügeln vom Dezember, als um die Besetzung der Kabinettsposten gestritten wurde, ist den Grünen noch im Gedächtnis. Die Stimmung scheint sich aber beruhigt zu haben. Für den Augenblick überwiegt Zufriedenheit mit der eigenen Regierungsrolle. Der Koalitionsalltag kommt noch früh genug.