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Schadstoffbelastung Dreckig, dreckiger, Indien

Indien keucht und hustet. Die Luft ist so schmutzig wie fast nirgendwo sonst auf der Welt.

Von Doreen Fiedler 29.09.2015, 23:01

Neu Delhi/Mainz (dpa) l Das T-Shirt von Mganasui Horam leuchtet in einem grellen Orange, der Rock ist von satter Pfirsichfarbe, doch wenn sie die Kleidungsstücke am Abend auswäscht, färbt sich das Wasser schwarz. Den ganzen Tag lang setzen sich Rußpartikel in der Kleidung der alten Inderin fest: wenn sie das Frühstück macht, das Mittagessen kocht oder das Abendessen zubereitet.

Horam lebt im üppig grünen Nordosten Indiens, in einem Dorf namens Mapao mit 150 Lehmhäusern. Das liegt – per Auto-Rikscha – zwar nur eine halbe Stunde von der Landeshauptstadt Imphal entfernt, doch dazwischen liegen Welten. Horam gehört zum Stamm der Naga, der sich viel aus den umliegenden Wäldern ernährt.

Gekocht wird ausschließlich mit Holz – und darunter, sagt Horam, leide ihre Gesundheit. „Ich fühle mich oft schwach, meine Lunge ist nicht gut. Außerdem tun die Augen weh und sind trocken“, sagt sie. Doch habe sie keine Alternative: Der Schnellkochkopf, den ihre Tochter aus der Stadt mitgebracht hat, könne nur Reis kochen. Horam ist eine von Millionen von Frauen, die in Indien täglich im Rauch sitzen. Laut jüngsten Zensusdaten wird in 49 Prozent der indischen Haushalte mit Holz gekocht. Hinzu kommt, dass fast ein Drittel der Inder Lampen mit dem staatlich subventionierten Kerosin benutzt – alles Energieträger, bei deren Verbrennung die Luft gefährlich verschmutzt wird. Das kann zu Entzündungen der Atemwege, Herzproblemen und Lungenkrebs führen.

Fast drei Milliarden Menschen seien durch das Verbrennen von Kohle oder pflanzlichen Brennstoffen ernsten Gesundheitsgefahren ausgesetzt, hieß es jüngst in einer Studie in einem britischen Fachjournal. Der Rauch enthält neben Ruß auch viele andere Verbindungen, die für den Körper schädlich sind. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge starben 2012 etwa 4,3 Millionen Menschen infolge der Luftverschmutzung in Haushalten – besonders viele davon in Asien.

Horams Tochter Wonshim ist 29 Jahre alt und vor einem Jahrzehnt in die Hauptstadt Neu Delhi gezogen. Sie nutzt, wie viele Großstadt-Inder, die 14,2-Kilogramm schweren Gas-Zylinder zum Kochen.

Doch auch wenn die Wände rund um ihre Kochstelle nicht mehr schwarz sind – die Luft in ihrer Einzimmerwohnung in Delhi ist keineswegs gesund. Tatsächlich gehört die Metropole, in der inklusive Vorstädten mittlerweile 25 Millionen Menschen leben, zu den dreckigsten Städten der Welt. Die WHO fand nirgendwo sonst auf der Welt so viel Feinstaub wie in Delhi.

Ein Grund für den Smog ist die ständig wachsende Fahrzeugflotte in den Schwellenländern. Doch die Fahrzeuge sind nicht die gefährlichsten Emittenten: Die wichtigste Quelle der Luftverschmutzung sei in Asien Biomasse, die zum Heizen und Kochen oder in Generatoren verwendet wird, schrieben Experten gerade im Fachblatt „Nature“. Indien sucht zwar seit Jahrzehnten nach einem perfekten Küchenherd, bislang aber mit wenig Erfolg. Unternehmen, Forscherteams und Nichtregierungsorganisationen haben unzählige Varianten vorgestellt, mal für Kuhdung und mal mit Solar, aus Ziegeln oder aus Wurmstein. Das Problem: Die meisten Frauen kochen trotzdem lieber auf herkömmliche Art, was die Sache nicht gerade vereinfacht.