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Afghanistan Deutsche in Kabul getötet

Nach dem Überfall auf das Gästehaus einer Hilfsorganisation in Kabul sind eine Deutsche und ein Afghane tot. Eine Finnin wird vermisst.

21.05.2017, 08:22

Kabul (dpa) l Unbekannte Bewaffnete haben bei einem Überfall auf ein Gästehaus in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine Deutsche getötet. Außerdem sei ein Wachmann ermordet worden, sagte der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Nadschib Danisch, der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. "Eine finnische Frau wurde entführt", fügte er hinzu. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte, dass die in Kabul getötete Frau deutsche Staatsbürgerin ist.

Aus Sicherheitskreisen in Kabul verlautete, dass es sich bei dem Haus im Südwesten der Stadt um die Unterkunft einer schwedischen Nichtregierungsorganisation, Operation Mercy, handelt. Die Männer seien gegen um 23.30 Uhr (21.00 Uhr MESZ) in das Haus eingedrungen.

Die genauen Hintergründe waren zunächst unklar. "Wir können nicht sagen, ob der Zwischenfall einen kriminellen oder terroristischen Hintergrund hat, aber eine Untersuchung läuft", sagte der Sprecher des Innenministeriums. Die Täter seien entkommen.

Sicherheitsanalysten halten zwei Szenarien für denkbar. Zum einen könnte der Überfall das Werk der immer aktiveren Kidnapping-Mafia von Kabul sein. Der waren allein im vergangenen Jahr mindestens vier Ausländer – darunter eine Inderin, ein Amerikaner und ein Australier - sowie viele afghanische Geschäftsleute zum Opfer gefallen.

Die meisten Opfer kommen relativ schnell wieder frei. Der Amerikaner und der Australier, die Professoren an der Amerikanischen Universität waren, sind allerdings mittlerweile in den Händen der Taliban.

Informierte Kreise sagen, die Mafia habe Unterstützung bis in hohe afghanische Politkreise. Unter den Opfern sind auffallend viele Frauen. 2015 hatten Entführer in Kabul auch eine Mitarbeiterin der deutschen staatlichen Entwicklungshilfsorganisation GIZ entführt. Die Frau war nach rund zwei Monaten freigekommen.

Bisher hatten die Entführer ihre Opfer in den allermeisten Fällen aus ihren Autos entführt, auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause. "Sollte die Mafia jetzt anfangen, auch in Gästehäuser einzubrechen, wäre das eine klare Eskalation", sagte ein internationaler Sicherheitsfachmann, der nicht genannt werden möchte, der dpa.

Zum anderen könne es sich um einen gezielten Angriff auf die NGO als christliche Organisation handeln. Solche glaubensbasierten Angriffe sind eher selten. Zuletzt hatten die Taliban 2014 das Gästehaus einer Organisation angegriffen, die sie für Missionare hielten. Besser würde so ein Angriff zur neuerdings in Kabul recht aktiven Terrormiliz Islamischer Staat (IS) passen.

Die Sicherheitssituation in Afghanistan hat sich seit dem Abzug der meisten internationalen Truppen 2014 stark verschlechtert. Ausländische Organisationen haben deshalb ihre Sicherheitsmaßnahmen massiv verstärkt. Die GIZ hatte im Mai erklärt, ihre Büros im Zentrum von Kabul aufzugeben. Im Sommer will sie in ein schwer gesichertes Lager am Stadtrand ziehen.

Die GIZ schließt damit sechs ihrer sieben Büro- und Wohngelände, die sie in den vergangenen Jahren – als Reaktion auf das Erstarken der Taliban, mehr Anschläge und Entführungen – teils für Hunderttausende Euro mit Sprengschutzwänden und Stahlschleusen gesichert hatte. Die Zahl der deutschen und internationalen Mitarbeiter hat sich von rund 200 auf rund 100 verringert.

Das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif war schon im Winter nach einem Angriff der Taliban in ein Militärlager umgezogen.