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Anschlag in Istanbul Zwei Opfer aus Deutschland

Nach dem Terrorangriff auf eine Silvesterparty in einem Club in Istanbul mit mindestens 39 Toten geht die Suche nach dem Täter weiter.

02.01.2017, 05:32

Istanbul (dpa) l Das Ziel des Terrorangriffs in Istanbul in der Silvesternacht war ein mondäner Tanzclub, die Bluttat trug die Handschrift der Terrormiliz IS. Deren Anführer hatte zuvor bereits zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen. Nun erklärt der IS: Wir waren es. Ein "Soldat des Kalifats" sei für die Tat verantwortlich, heißt es in einer am Montag im Internet verbreiteten Erklärung des IS.

In dem Bekennerschreiben hieß es: "In Fortsetzung der gesegneten Operationen des Islamischen Staates gegen die Beschützerin des Kreuzes, die Türkei, hat einer der heldenhaften Soldaten des Kalifats gegen den berühmten Nachtclub zugeschlagen, wo die Nazarener (Christen) ihr polytheistisches Fest feiern. Er hat sie mit Handgranaten und seiner automatischen Waffe angegriffen und ihre Feiern in Trauer umgewandelt." Die Echtheit des Bekennerschreibens ließ sich zunächst nicht überprüfen.

Bei dem Terrorangriff auf eine Silvesterfeier in dem bekannten Club Reina waren 39 Menschen getötet worden, darunter mindestens 26 Ausländer. Die meisten der getöteten Ausländer stammten aus arabischen Ländern, zwei aus Deutschland. "Wir gehen davon aus, dass zwei der Todesopfer aus Deutschland kamen, das heißt also hier ihren festen Wohnsitz hatten", bestätigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Einer habe sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit. "Bei dem anderen gehen wir derzeit davon aus, dass er nur türkischer Staatsangehöriger ist." Beide hätten in Bayern gewohnt. Der Sprecher fügte an, dass drei deutsche Staatsangehörige bei dem Anschlag verletzt worden seien. "Sie sind in guter medizinischer Behandlung und außer Lebensgefahr."

Mindestens ein bewaffneter Angreifer war in den exklusiven Club am Bosporusufer eingedrungen und hatte minutenlang wahllos auf Hunderte von Feiernden geschossen. Noch sind nicht alle Opfer identifiziert.

Nach dem türkischen Einmarsch im August in Syrien hatte der IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen. Türkische Truppen liefern sich in der nordsyrischen Region um die Stadt Al-Bab seit einiger Zeit heftige und verlustreiche Gefechte mit IS-Kämpfern. Der IS beherrscht Al-Bab.

Die Zeitung "Hürriyet" berichtete am Montag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, es gebe Hinweise darauf, dass der Angriff auf den Club von derselben IS-Zelle ausgeführt worden sei wie der Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen. Bei dem Angriff auf den größten Flughafen des Landes hatten sich im Juni Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Sie rissen 45 Menschen mit in den Tod. Die türkische Regierung machte den IS dafür verantwortlich, der sich nicht dazu bekannte.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte nach dem Anschlag in der Silversternacht an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen. Die Türkei werde alles tun, um "die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten". International wurde die Bluttat scharf verurteilt. Bereits 2016 hatte die Türkei eine ganze Reihe verheerender Anschläge erlebt.

Infografik: Die größten Terroranschläge in der Türkei 2016 | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista, Referenz

Bis zu 25 Todesopfer kamen aus dem Ausland, die meisten von ihnen aus arabischen Staaten. Laut der Regierung in Tunis wurden auch eine Franko-Tunesierin und ihr tunesischer Mann getötet. Das Außenministerium in Brüssel gab an, einer der Toten habe die belgische und türkische Staatsangehörigkeit gehabt. Auch eine Kanadierin, eine Israelin und zwei Inder sind nach Angaben ihrer Regierungen unter den Opfern. Ob auch Deutsche verletzt oder getötet wurden, blieb zunächst unklar. Das Auswärtige Amt rief Besucher in Istanbul zur Umsicht und zur Vermeidung von Menschenansammlungen und größeren Veranstaltungen auf.

Zuletzt hatte es in der Türkei immer wieder Anschläge gegeben, die auf das Konto der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder kurdischer Extremisten gingen. Im Falle des Nachtclub-Anschlags vermieden die Behörden zunächst Schuldzuweisungen, sie benannten keine Verdächtigen. Von kurdischer Seite wurde die Verantwortung für das Attentat abgewiesen. Die Agentur Firat, die der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahesteht, zitierte deren Chef Murat Karayilan mit der Aussage, dass keine kurdische Gruppierung hinter der Tat stecke.

Der Attentäter hatte früh am Neujahrstag laut türkischen Behörden zunächst einen Polizisten und einen Zivilisten erschossen, dann tötete er wahllos Partygäste im Club "Reina". In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Club mit mehreren Restaurants und Tanzflächen hielten sich zur Silvesterfeier bis zu 800 Menschen auf.

Einer von ihnen war der Fußballprofi Sefa Boydas. "Gerade als wir uns am Eingang niedergelassen hatten, gab es plötzlich Schüsse. Alles war voller Staub und Rauch", berichtete der Spieler des Istanbuler Clubs Beylerbeyi. "Als ich hinausrannte, traten die Leute auf andere Menschen." Der Libanese François al-Asmar berichtete, er habe nur dank seines Reisepasses überlebt, den er auf Höhe seines Herzens bei sich getragen habe und der eine Kugel abgewehrt habe. "Sie wollen die Moral unseres Landes zerstören und Chaos verbreiten, indem sie mit diesen schändlichen Angriffen gezielt Zivilisten attackieren", erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei sei aber entschlossen, "den Kampf gegen den Terror" fortzusetzen.

Der Clubbesitzer Mehmet Kocarslan verurteilte den Angriff. "Unser Herz blutet", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Das Attentat weckte auch Erinnerungen an die islamistische Attentatserie in Paris vom November 2015, als allein in der Pariser Konzerthalle Bataclan dutzende Menschen getötet wurden.

Auch international wurde das Attentat scharf verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach in einem Beileidschreiben an Erdogan von einem "menschenverachtenden und hinterhältigen Anschlag". Auch Bundespräsident Joachim Gauck äußerte "Trauer und Entsetzen" über die "perfide Tat". Papst Franziskus verurteilte in seinen Neujahrswünschen die Gewalt in Istanbul.

Das "Reina" ist eine der schicksten Adressen in Istanbul und bei Prominenten sehr beliebt. Nur wenige hundert Meter weiter fanden die offiziellen Silvesterfeierlichkeiten statt. Wegen der Anschlagsgefahr waren in Istanbul 17.000 Polizisten im Einsatz, es galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in der Innenstadt.

Wenige Stunden vor dem Angriff hatte Präsident Erdogan in seiner Neujahrsansprache gesagt, die Türkei sei einem "neuen Unabhängigkeitskrieg" ausgesetzt. "Die nationale Einheit, territoriale Integrität, Institutionen, Wirtschaft, Außenpolitik, kurz alle unsere Elemente, die uns als Staat aufrecht erhalten, werden scharf angegriffen", erklärte er am Samstag.

Wenige Stunden vor dem Angriff hatte Präsident Erdogan in seiner Neujahrsansprache gesagt, die Türkei sei einem "neuen Unabhängigkeitskrieg" ausgesetzt. "Die nationale Einheit, territoriale Integrität, Institutionen, Wirtschaft, Außenpolitik, kurz alle unsere Elemente, die uns als Staat aufrecht erhalten, werden scharf angegriffen", erklärte er am Samstag.