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Brexit-Verhandlungen Skepsis vor der nächsten Runde

Zwischen der EU und Großbritannien bahnt sich ein Streit bei den Brexit-Verhandlungen an. Es droht Stillstand.

24.08.2017, 23:01

Brüssel/London (dpa) l Bei sehr alt gedienten Ehepaaren kommt es schon mal vor, dass man an aneinander vorbeiredet. Sagt sie: „Reich mir doch bitte mal die Butter.“ Versteht er: „Wie, wir brauchen Katzenfutter?“ So ähnlich wirkt es derzeit bei Großbritannien und der Europäischen Union. Und das ist kein gutes Zeichen für die wichtige Runde der Brexit-Verhandlungen kommende Woche.

Nach den letzten offiziellen Gesprächen Mitte Juli mahnte EU-Unterhändler Michel Barnier seinen Kollegen David Davis ziemlich streng, die britische Regierung möge doch bitte schön bis zum nächsten Mal klären, was sie überhaupt wolle. Und tatsächlich lieferte Davis zuletzt fast täglich Papiere zu Positionen aller Art bei dem für 2019 geplanten EU-Austritt. Inzwischen sind mehr Vorschläge aus London auf dem Markt als aus Brüssel.

Inhaltlich hat die EU-Kommission sie nicht kommentiert – sondern nur staubtrocken verlautbart, es sei ja immer schön, wenn aus London etwas komme. Aber unter der Hand ist die Einschätzung reichlich skeptisch. Und an einem entscheidenden Punkt klafft eine große Lücke: Wie viel wird London nach 2019 noch an die EU zahlen?

Infografik: Europäer sind pro EU, aber auch für ein Referendum | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

In britischen Medien war zuletzt ein Angebot von 40 Milliarden Euro genannt – was zumindest ein erklecklicher Teil der geforderten 100 Milliarden wäre. Doch es folgten verlässlich große Empörung der Brexit-Vorkämpfer in Großbritannien sowie prompt ein Dementi aus der Downing Street. Eine offizielle Position gibt es nicht – was Brüssel zu düsteren Andeutungen reizt: Wenn London nicht zumindest eine Berechnungsmethode vorschlage, seien die Verhandlungen in der Sackgasse.

Vieles bleibt auch vage, weil im britischen Kabinett kein echter Konsens über den Kurs herrscht. Kaum war Premierministerin Theresa May im Urlaub, tanzten die Mäuse wild auf dem Tisch. Während der Sommerpause des Unterhauses lieferten sich Mitglieder ihres Kabinetts einen medialen Schlagabtausch – allen voran Schatzkanzler Philip Hammond und der Minister für den internationalen Handel, Liam Fox. Hammond steht dem Brexit kritisch gegenüber, Fox ist für einen klaren Bruch mit der EU.

Mays eigene Position wackelt seit der Schlappe bei der Neuwahl, mit der sie eigentlich Stimmen hinzugewinnen wollte und dann die absolute Mehrheit verlor. Immer mehr Briten zeigen sich in Umfragen mit ihrem Brexit-Kurs unzufrieden. Nicht wenige glauben, dass die Konservativen ihre Parteichefin noch vor der Trennung von der EU absetzen werden. Möglicherweise schon beim Parteitag der Konservativen im Oktober.

Bis dahin, so sah es zumindest der bisherige Zeitplan vor, sollen bei den Brexit-Verhandlungen drei von der EU gesetzte Topthemen weitgehend abgeräumt sein – nämlich eben die Frage der 100-Milliarden-Schlussrechnung sowie die künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und das künftige Verhältnis zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland.

Tatsächlich bleibt manches in den rund 20 Papieren beider Seiten auf mehr als 150 Seiten nebulös, anderes heftig umstritten – für Bürger und Unternehmen ist noch immer kaum absehbar, was auf sie zukommt. Nur eins ist klar: Am 29. März 2019 um Mitternacht ist Großbritannien raus. Mitternacht Brüsseler Zeit übrigens.