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Europa Diktator in Nöten

Für den 9. August sind in Weißrussland Präsidentschaftswahlen angesagt. Diesmal wird es kein glatter Durchmarsch für Alexander Lukaschenko.

Von Steffen Honig 17.06.2020, 01:01

Vor einer Präsidentschaftswahl die Regierung nach Hause zu schicken, ist in Europa eher unüblich. Nicht so in Weißrussland: Präsident Lukaschenko (65) hat dies, wie vor einem solchen Urnengang gewohnt, Anfang Juni getan und gleich ein neues Kabinett ernannt: „Damit die Wähler wissen, wer an der Lösung der entscheidenden Fragen arbeiten wird.“ Mit anderer Machtverteilung hat das nicht viel zu tun. Über Macht verfügt allein Lukaschenko. Er will sie auch für die sechste Amtszeit seit 1994 behalten.

Auf den ersten Blick tangiert das Deutschland und die anderen EU-Länder nur wenig. Die Europäer hatten sich im Zuge des Minsker Verhandlungsprozesses für einen Ukraine-Frieden 2015 mit Weißrussland arrangiert. Schrittweise fielen die Sanktionen – zur Freude des Präsidenten Lukaschenko, vormals sowjetischer Kolchos-Parteisekretär und Sowchos-Direktor. Kann er doch durch die Akzeptanz der Europäer den Begehrlichkeiten des mächtigen östlichen Nachbarn besser trotzen.

Für Wladimir Putins Russland sollte Weißrussland (Belarus) ein entscheidender Baustein für ein neues Staatengebilde werden, das der Kreml aus Ex-Republiken der Sowjetunion bilden möchte.

Moskau wäre eine Vereinigung beider Länder am liebsten. Bisher ist es bei einer Wirtschaftsunion geblieben. Auch weil Lukaschenko fürchtet, als Russlands Anhängsel nichts mehr bestellen zu können.

Das eint den Staatschef ausnahmsweise mit kritischen Weißrussen: Sie liefen Sturm gegen eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit Russland, die Ende 2019, 20 Jahre nach Abschluss des Unionsvertrages, vereinbart werden sollte. Die gibt es allerdings bis heute nicht, Putin und Lukaschenko kamen auf keinen gemeinsamen Nenner.

Zwar halfen die Demonstranten in diesem Fall Lukaschenko, verfahren wurde mit ihnen aber wie immer bei zivilem Ungehorsam. Die Polizei griff zwar nicht direkt ein, wohl aber hinterher die weißrussischen Behörden: Nach Angaben des Menschenrechtszentrums „Wjasna“ gab es rund 200 Gerichtsverfahren. Besonders weh taten den Delinquenten die verhängten Geldstrafen in Höhe von insgesamt 60  000 Euro. Daraus ergaben sich für Weißrussen hohe Einzelsummen. Wer nicht zahlen konnte, bei dem standen Gerichtsvollzieher vor der Tür und pfändeten.

Die knapp zehn Millionen Weißrussen sind das diktatorische Gebahren des Regimes leid. Alexander Lukaschenko und sein Apparat haben es mit einem immer widerspenstigeren Volk zu tun.

So häufen sich Oppositionsproteste gegen eine Wiederwahl des ewigen Präsidenten. Immer wieder gibt es dabei Festnahmen. Betroffen war Ende Mai auch der führende Oppositionelle Nikolaj Statkewitsch. „Die Staatssicherheit ist das A und O beim Schutz der Unabhängigkeit und Souveränität des Staates“, erklärte Lukaschenko. Entsprechend ging er gegen den Ex-Chef der Belgasrombank vor: Viktor Babariko gehört zur Riege der Gegenkandidaten des Präsidenten. Einer Razzia in der Bank folgten 15 Verhaftungen, Lukaschenko nannte Babariko einen „Halunken“.

Für einen wesentlich geringeren Gegener hält der Präsident das Coronavirus und sprach von „Psychose“. Weißrussland hat offziell mehr als 300 Corona-Tote.