1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Frontalkollision vor der Schicksalswahl

Frankreich Frontalkollision vor der Schicksalswahl

Die letzte Fernsehdebatte in Frankreich macht klar: Das Land steht vor einer Richtungsentscheidung zwischen zwei Weltanschauungen.

04.05.2017, 05:34

Paris (dpa) l Ob beim Streit-Thema EU, dem Verhältnis zu Deutschland oder dem Kampf gegen den Terrorismus: Die Positionen von Marine Le Pen und Emmanuel Macron sind völlig gegensätzlich. Die Rechtspopulistin und ihr sozialliberaler Kontrahent schenkten sich bei ihrem einzigen TV-Duell vor dem Finale der französischen Präsidentenwahl keinen Zentimeter.

Was stand bei der Debatte auf dem Spiel?

Vier Tage vor der Stichwahl war der Schlagabtausch am Mittwochabend ein Höhepunkt des Wahlkampfs. Für Macron ging es darum, sich nicht zu blamieren und seine Favoritenrolle nicht zu gefährden. Keine Kleinigkeit: Der 39-jährige Senkrechtstarter kandidiert zum ersten Mal überhaupt bei einer Wahl – und Le Pen ist als harte Debatten-Gegnerin berüchtigt. Für die Front-National-Kandidatin Le Pen galt es, Vorbehalte gegenüber ihren radikalen Positionen etwa zum Abschied vom Euro zu zerstreuen.

Wie lief der Schlagabtausch ab?

Von Anfang an gingen die Kandidaten hart zur Sache, griffen sich scharf an, fielen sich ins Wort. Die zwei Moderatoren taten sich sehr schwer, die Debatte zu steuern. Kostprobe: Macron bezeichnete Le Pen als "Hohepriesterin der Angst", Le Pen warf ihm vor: "Sie wollen Frankreich der Masseneinwanderung ausliefern." Die Zeitung "Le Figaro" resümierte online: "zweieinhalb Stunden Beschimpfungen".

Warum ist der Ton so unversöhnlich?

Macron und Le Pen haben komplett unterschiedliche Programme und Weltbilder. Ex-Wirtschaftsminister Macron will die Franzosen von Europa und der Globalisierung profitieren lassen. Le Pen setzt hingegen auf Abschottung und einen staatlichen Schutz der Wirtschaft, um das Land wieder in Schwung zu bringen. Auch von Europa und der Euro-Währung will die 48-Jährige sich lösen, um Frankreich wieder groß und mächtig zu machen. Zu Macron sagte sie: "Das Frankreich, das Sie verteidigen, das ist nicht Frankreich, das ist ein Handelssaal."

Der frühere Wirtschaftsminister hat seine Angriffe auf Le Pen seit einigen Tagen wohl auch deshalb zugespitzt, um Wähler aus dem linken Spektrum zu mobilisieren, die sein Programm skeptisch sehen. Er warnte etwa bei einer Rede am Montag, die Front National stehe für Nationalismus und gefährde die Freiheit. Damit trat er Le Pens Strategie entgegen, die sich seit Jahren um ein gemäßigteres Image der Partei bemüht.

Weshalb streiten die beiden immer wieder über Deutschland?

Le Pen nutzt das gute Verhältnis Macrons zu Deutschland immer wieder, um ihn anzugreifen. Sie wirft ihrem Gegner vor, sich Berlin unterwerfen zu wollen. Frankreich müsse seine Unabhängigkeit wiederfinden, lautet ihr Credo. "Frankreich wird auf jeden Fall von einer Frau geführt werden. Das werde entweder ich sein oder Frau Merkel", meinte Le Pen in der TV-Debatte. Macron hatte im Wahlkampf Kanzlerin Angela Merkel besucht, er wird offen von Berlin unterstützt. Der Ex-Minister hat keine Ressentiments und will mit Deutschland zusammenarbeiten, spart dabei Kritik etwa an den hohen Exportüberschüssen des wichtigen Nachbarn aber nicht nicht aus.

Wer hat gewonnen?

Laut einer ersten Umfrage ist Emmanuel Macron der klare Sieger. 63 Prozent der befragten Zuschauer hielten ihn für überzeugender, 34 Prozent sahen Le Pen vorn. Wichtig könnte sein, dass Macron auch bei den Anhängern des ausgeschiedenen Linkskandidaten Jean-Luc Mélenchon vorn lag. Der ist zwar gegen Le Pen, hatte seinen Anhängern aber keine Wahlempfehlung für die Stichwahl gegeben. Viele von ihnen sehen Macrons wirtschaftsfreundliche Positionen kritisch und erwägen, nicht zur Wahl zu gehen oder einen leeren Umschlag in die Urne zu werfen.

Hat Le Pen noch eine Chance?

Die Debatte dürfte die Favoritenrolle des Ex-Wirtschaftsministers nicht ins Wanken bringen. Sein Vorsprung war zuvor leicht geschrumpft, Umfragen sahen ihn für die Stichwahl zuletzt aber immer noch bei 59 bis 60 Prozent der Stimmen. Es gibt aber nach wie vor Unsicherheitsfaktoren: vor allem die Wahlbeteiligung und mögliche Enthaltungen. Ein Großteil von Macrons Wählern erklärte in einer Umfrage des Cevipof-Zentrums, nur mangels Alternative für ihn zu stimmen. Und 29 Prozent der Franzosen wünschen sich weder einen Sieg Le Pens, noch Macrons. Begeisterung sieht anders aus.