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Mali Der Kampf zurück in die Normalität

Trauer und Fassungslosigkeit bestimmen Leben der Soldaten in Mali nach Hubschrauberabsturz.

30.07.2017, 23:01

Gao (dpa) l Marja Alm hatte nicht viel Zeit für Trauer. Wenn so ein Unglück passiere, müsse ein Soldat schließlich funktionieren, sagt die 33-jährige. Alm erzählt von der Fassungslosigkeit, der Hilflosigkeit, auch der Wut im Camp Castor in Mali in den vergangenen Tagen. Doch als die IT-Stabsoffizierin aus Erfurt am Mittwoch von dem tödlichen Tiger-Unglück ihrer Kameraden erfährt, muss sie erstmal koordinieren, arbeiten – funktionieren eben. Sie kannte die beiden gestorbenen Soldaten persönlich. Man begegne sich in der Kantine, beim Essen, auf den Wegen des Camp. „Egal wie eng man mit denen war, es sind Kameraden, die wir aus unserer Mitte verloren haben“, sagt sie. „Das ist sehr bewegend, nimmt uns mit.“

Am Mittwoch stürzten zwei Soldaten mit einem Kampfhubschrauber Tiger in Mali ab – die ersten Todesfälle deutscher Soldaten im Einsatz seit 2015. Die Leichen sind seit Sonnabend wieder in der Heimat, das Wrack liegt immer noch an der Absturzstelle 70 Kilometer nordöstlich von Gao. Ein Team der Bundeswehr hat mittlerweile einen von zwei Flugschreibern gefunden, die Ursache des Absturzes bleibt unklar.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zog ihre ohnehin geplante Mali-Reise nun vor, um mehr Zeit mit der Truppe verbringen zu können. Es ist ihre letzte geplante Einsatzreise als Verteidigungsministerin vor der Bundestagswahl – und es dürfte wohl die emotional schwierigste sein. Sie wolle nun bei den Soldaten sein, „Raum und Zeit für viele Gespräche schaffen“. Die beiden toten Kameraden seien unter den Soldaten hochgeschätzt gewesen, die anderen hätten zu ihnen aufgesehen. „Dieser Verlust wiegt schwer.“

Am Vormittag versammeln sich in Camp Castor 100 deutsche Soldaten zum Feldgottesdienst unter der heißen Wüstensonne, von der Leyen steht in ihrer Mitte, weißes Hemd, schwarzes Trauerband um den Hals. Sie singt und betet mit den Soldaten. „Wir haben eine sehr schwere Woche hinter uns“, sagt Militärpfarrer Andreas Bronder in ein Mikrofon. Bronder reicht eine Plastikbox herum, mit Perlen vom Markt der angrenzenden Stadt Gao. „Entdecke den Schatz des Lebens“, ermuntert er die Soldaten dann. „Nimm dir Zeit und arbeite an dem, was dich glücklich macht“. Die Ereignisse hätten gezeigt, dass das Leben schnell zu Ende gehen könne, sagt Bronder in seiner Predigt.

In der „Martinskirche“, einer kleine Kapelle in einem verstaubten Zelt, haben die Soldaten einen kleinen Altar errichtet mit Porträtbildern der beiden Toten. Fünf kleine Kerzen flackern dort, vier Kondolenzbücher mit dem Kreuz auf der Front liegen vor dem Altar, dazu Abzeichen der Hubschrauber-Crews. Es ist still hier, nur der Wüstenwind und die Generatoren sind zu hören.

Bronder sagt, auch wenn alle Soldaten im Camp traurig seien – das Leben müsse weitergehen. „Lasst uns weiter eine gute Arbeit hier machen“, sagt er. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, eine gute Woche und Gottes Segen.“ Später spricht Bronder von einem „Coming-Back-To-Life-Gottesdienst“. Die Trauer sei ein Stück weit abgeschlossen gewesen, als sich die Heckklappe der Transall-Transportmaschine mit den Särgen der Soldaten am Sonnabend geschlossen habe. „Diese Wunde fräsen wir heute nicht nochmal auf.“

Man funktioniere eben wie ein Rädchen im System, meint auch Hauptmann Christof Stein nach dem Gottesdienst. „Wir können ja nicht sagen, wir verkriechen uns“, sagt der 31-Jährige. „Wir müssen den Auftrag weiterführen.“

Der Auftrag der Bundeswehr und der UN-Truppen, das ist die Sicherung eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellen. Denn der Feind schläft nicht – und der Frieden in Mali ist brüchig. Mali ist mittlerweile nach Afghanistan der zweitgrößte Einsatz der Bundeswehr. Mehr als 890 Soldaten der Bundeswehr sind in der ehemaligen Rebellenhochburg Gao stationiert. Minusma ist aber auch die tödlichste aktuelle UN-Mission. Immer wieder werden Blauhelmsoldaten bei Anschlägen und Angriffen von Aufständischen getötet.

Im Falle des Hubschrauberabsturzes spricht aber bislang nichts für einen Angriff oder Abschuss. Der Hubschrauber krachte einfach auf den Boden, brannte komplett aus. Weder Pilot noch Schütze setzten einen Notruf ab. Die UN-Mission berichtet von Erkenntnissen, die auf technisches Versagen hindeuten. Von der Leyen wollte sich am Sonntag noch von Luftfahrtexperten der Truppe unterrichten lassen. Die Piloten-Gemeinschaft der Bundeswehr hatte zuvor kritisiert, dass die Tiger-Hubschrauber nicht ausreichend für den Einsatz in Mali getestet seien und den Piloten die vorgeschriebene Routine fehle.

Die beiden seien erfahrene Piloten gewesen, meint hingegen Stabsoffizierin Marja Alm. Sie will nun nach vorne blicken mit ihren Kameraden. Am Sinn des Einsatzes zweifelt sie nicht. „Das war ein Unfall, der überall sonst auch hätte passieren können.“