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Streit um Ländername Griechen empfinden Namen als Schande

Die Regierungen der Griechen und Mazedonier wollen nach 25 Jahren den Streit um ihren Ländernamen schlichten. Doch die Vorbehalte sind groß.

Von Steffen Honig 24.01.2018, 00:01

Athen/Skopje l Wenn in griechischen Zeitungen die benachbarte Republik Mazedonien auftaucht, dann als FYROM. Die frühere jugoslawische Republik Mazedonien, wofür das Kürzel steht, wird behandelt wie ein lästiges Etwas. Seit ihrer Existenz ab September 1991 geht das so.

Die Griechen empfinden es als Schande und Bedrohung, dass sich im Zuge der Sezession Jugoslawiens ein mazedonischer Staat etabliert hat. Wo es doch bereits eine nordgriechische Provinz gleichen Namens gibt und Hellas das mazedonische Erbe für sich beansprucht.

Schließlich wurde Alexander der Große, berühmtester Vertreter dieses Volkes, im griechischen Pella (Provinz Mazedonien) geboren.

Antonis Samaras, konservativer Vorgänger des aktuellen Athener Premiers, Alexis Tsipras, wollte in den 1990er Jahren gar griechische Truppen in die freche Nachbarrepublik einmarschieren lassen.

Die Mazedonier jenseits der Grenze blieben den Griechen nichts schuldig: Sie beharrten trotzig auf dem Namen und der Flagge mit dem stilisierten Stern von Vergina, dem Wappen Alexanders. Und nahmen in Kauf, nicht in die Nato aufgenommen zu werden. Dass Mazedonien das Ziel der EU-Mitgliedschaft, bislang vergeblich verfolgt, ist aber nicht so sehr dem Namensstreit, sondern der halb-diktatorischen Politik des konservativen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski geschuldet. Sein sozialdemokratischer Nachfolger Zoran Zaev, seit Mitte 2017 im Amt, will alles besser machen. Seine demonstrierte Verbindlichkeit trägt Früchte. In New York wird seit einer Woche unter Leitung des UN-Vermittlers Matthew Nimetz über einen akzeptablen Namen für die FYROM verhandelt. Auf dem Tisch liegt beispielsweise Neu-Mazedonien.

Griechenland will jedoch keine Bezeichnung akzeptieren, in der „Mazedonien“ – in welcher Kombination auch immer – enthalten ist. Somit würden auch „Ober-Mazedonien“ oder „Republik Mazedonien-Skopje“ – wie bereits früher vorgeschlagen – entfallen. Es gibt auch eine Reihe von verworfenen Namensideen ohne Mazedonien: „Republik Skopje“, „Zentralbalkanische Republik“, „Paionien“ (nach einem anderen antiken Volk, das in dieser Gegend lebte).

Wie ernst es die Hellenen nach wie vor damit meinen, wurde am Sonntag in der Hafenstadt Thessaloniki deutlich: Hunderttausende Griechen gingen für eine Namensentscheidung ohne das für sie heilige Wort auf die Straße. Diese Bilder gab es schon in den Neunziger Jahren. Der ewig junge Kern-Slogan lautet: „Mazedonien ist griechisch.“

Der unselige Streit wurzelt in der komplizierten Geschichte des Südbalkans, der jahrehundertelang von den Türken beherrscht wurde. Hier blühte der Nationalstolz ohne einen Nationalstaat im Untergrund – und vielleicht gerade deshalb. Dem Fluch des Türkenjochs entrann die Region nach zwei Balkankriegen schließlich 1913.

Das historische Mazedonien Alexanders wurde aufgeteilt. Der größte Teil ging an Griechenland (Ägäis-Mazedonien und Serbien („Vardar-Mazedonien“). Der nordöstliche Teil kam zu Bulgarien („Pirin-Mazedonien“) und ein kleines Stück fiel an Albanien.

In Jugoslawien zählte die mazedonische Region zu den rückständigsten Gebieten. Sie wurde unter Tito zu einer eigenen sozialistischen Teilrepublik. Doch nicht zu einer eigenen Nation. Das sollte nach der Unabhängigkeit endlich anders werden.

Doch funktionierte das „Nation Building“ nicht recht. Wie auch: Von den zwei Millionen Einwohnern sind mehr als ein Viertel Albaner. Worauf soll sich ein wirtschaftlich schwacher Staat mit einer ethnisch inhomogenen Bevölkerung gründen? Mindestens Staatsname und die Flagge sollten unumstritten sein.

Deshalb beharrten die wechselnden Führungen in der mazedonischen Hauptstadt Skopje strikt auf ihrer Namenspolitik. Sie nahmen den mit balkantypischer Inbrunst und Unerbitterlichhkeit bis aufs Messer geführten Streit mit Griechenland in Kauf. Wodurch im übrigen der seit dem Zerfall des föderalen Jugoslawiens gebeutelte Südbalkan nicht stabiler wurde.

Vermittler Nimetz jedenfalls beschäftigt der Mazedonien-Streit schon 23 Jahre. Er ist zu einer Lebensaufgabe für den 78-jährigen amerikanischen Diplomaten geworden, die er vielleicht nie erfüllen kann.