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Tragödie Zu MH17-Abschuss bleiben viele Fragen offen

Fast 300 Menschen starben beim Abschuss der Passagiermaschine MH17. Für Ermittler ist der Fall geklärt. Doch es bleiben viele Fragen.

15.07.2019, 23:01

Amsterdam (dpa) l Brennende Flugzeugtrümmer und tote Passagiere noch angeschnallt in ihren Sitzen – es sind tragische Bilder, die sich am 17. Juli 2014 in der Ostukraine bieten. In der Ortschaft Hrabowe kracht an dem Tag ein malaysisches Flugzeug mit 298 Menschen an Bord auf die Erde – abgeschossen über dem Kriegsgebiet Donbass. Auch am fünften Jahrestag an diesem Mittwoch bleiben viele Fragen zur MH17-Tragödie offen.

Eine internationale Untersuchungskommission in den Niederlanden sieht erdrückende Beweise für eine Schuld der aus Russland unterstützten Separatisten. Vier Verdächtige, drei Russen und ein Ukrainer, benannten Ermittler im Juni. Sie sollen die Maschine mit einer Rakete russischer Bauart vom Luftabwehrsystem Buk abgefeuert haben. Gegen sie beginnt am 9. März 2020 der Prozess in den Niederlanden, weil das Land die meisten Opfer zu beklagen hat. Auch Menschen aus Malaysia, Australien, Indonesien, Deutschland und Belgien starben damals.

Die Toten des MH17-Fluges sind bis heute die größte einzelne Opfergruppe dieses blutigen Konflikts im Donbass, bei dem rund 13.000 Menschen starben. Russland weist bis heute jede Verantwortung zurück. Eine Überstellung müssen die wegen 298-fachen Mordes Verdächtigten deshalb nicht befürchten. Erst auf dem G20-Gipfel Ende Juni sprach der niederländische Premierminister Mark Rutte mit Russlands Präsident Putin wieder über den Fall. Die Familien der Opfer erhoffen sich Klarheit – und eine Entschuldigung Russlands. Die russische Position sei klar, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dagegen kurz vor dem Jahrestag. „Und sie basiert natürlich darauf, dass Ermittlungen ohne Beteiligung Russlands wohl kaum anerkannt werden können.“

Wie gerufen kam Russland da auch die neuerliche Reaktion des malaysischen Premierministers Mahathir Mohammad auf die Ermittlungsergebnisse. Er deutete eine Verschwörung gegen Moskau an. „Das war von Anfang an eine politische Frage, wie man Russland eines Fehlverhaltens beschuldigen kann.“ Es gebe bislang keine Beweise gegen das Land. Russland hat immer wieder andere Versionen gestreut. Lange hieß es, ein Flugzeug könne die MH17 abgeschossen haben. Ein nach Russland geflüchteter ukrainischer Zeuge nannte sogar den Namen eines ukrainischen Piloten, der mit einem Kampfjet Suchoi Su-25 die Maschine abgeschossen haben soll. Der Pilot erschoss sich 2018. Einen Befreiungsschlag versuchte das russische Verteidigungsministerium auch mit einem angeblichen Nachweis, die von internationalen Ermittlern präsentierten Reste des aus Sowjetzeiten stammenden Raketenantriebs trügen eine ukrainische Kennnummer. Die Ukraine wies das zurück. Für Russland waren die Folgen des Abschusses verheerend. Der regionale Konflikt erhielt erstmals durch die vielen getöteten Ausländer erstmals eine internationale Dimension. Gab es nach Russlands Einverleibung der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim noch vergleichsweise milde Reaktionen, so folgten nach dem Abschuss der Boeing harte Sanktionen.

Für die Kommission in den Niederlanden ist der Fall klar: Die Maschine auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur sei vom Separatistengebiet aus abgeschossen worden. Die Ermittler präsentierten auch Protokolle abgehörter Funkgespräche. Das private britische Enthüllungsteam Bellingcat recherchierte, dass das Buk-System von der 53. Brigade der russischen Luftabwehr von Kursk in den Donbass transportiert worden sei. Videos sollen das beweisen. Doch konnte das Buk-System nur aus Russland kommen?

Am Abend vor dem Abschuss der Boeing zeigte das ukrainische Militärfernsehen Verteidigungsminister Waleri Geletej bei der Inspektion einer einsatzbereiten Buk-Einheit – im Kriegsgebiet. Schon drei Wochen vor dem Abschuss der MH17 meldeten russische Staatsmedien, die Separatisten hätten einen Stützpunkt der ukrainischen Luftabwehr in Donezk besetzt und ein Buk-System erbeutet.

Komplett gesperrt wurde der Luftraum über dem Kriegsgebiet nicht. Schon in den Tagen vor der MH17-Tragödie hatten die Separatisten auch ohne Buk-System bei Kampfeinsätzen der ukrainischen Luftwaffe immer wieder Flugzeuge abgeschossen. Unklar ist bis heute, warum die Ukraine den Luftraum damals nicht komplett sperrte. Wollte das finanziell angeschlagene Land nicht auf die Einnahmen aus den Überflugrechten verzichten? Kremlchef Putin gab der Ukraine kurz nach der Tragödie die Schuld. Die Regierung dort habe es versäumt, über dem Kriegsgebiet eine Flugverbotszone einzurichten. Heute fliegt dort kein Passagierflugzeug mehr.