1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Serben-Führer will Bosnien sprengen

Westbalkan Serben-Führer will Bosnien sprengen

In Bosnien-Herzegowina wollen die Serben die Gemeinschaft mit Muslimen und Kroaten aufkündigen. Eine Gefahr für den Balkan.

Von Steffen Honig 10.01.2017, 00:01

Es ist erschreckenderweise kein Tabu mehr, Grenzen in Europa in Frage zu stellen. Russlands Präsident Wladimir Putin schafft in der Ukraine Fakten, sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan will eine Groß-Türkei und meldet Ansprüche auf griechische Inseln an.

Milorad Dodik ist auch Präsident. Nur kennt ihn kaum jemand. Dodik präsidiert in der Republika Srpska, offiziell Teil von Bosnien-Herzegowina. Seit Jahren kämpft er für die Unabhängigkeit des von ihm geführten Gebildes (siehe Karte), in dem rund 1,2 Millionen Menschen leben. Im ersten Halbjahr 2017, so es der Präsident angekündigt, soll das Volk über die Unabhängigkeit entscheiden.

Der Plan, den Dodik seit Jahren verfolgt und nun umsetzen will, ist: Abspaltung von Bosnien-Herzegowina, Gründung eines eignen Staates mit der Perspektive einer Vereinigung mit Serbien. „Es gibt diese tolle Idee, dass man die Serbenrepublik abteilt und eine Gemeinschaft mit den Serben macht“, sagte Dodik der Belgrader Zeitung „Kurir“. Mit der bosnischen Zentralregierung in Sarajevo hat der Serben-Führer in noch nie viel im Sinn gehabt. Die 1992 ausgerufene Republik Bosnien-Herzegowina war eine Zangengeburt. Der Bürgerkrieg zog das Land schwer in Mitleidenschaft.

Erst das Dayton-Abkommen 1995 schrieb den bis heute gültigen Status fest. Zwischen den Bevölkerungsgruppen wurden Binnengrenzen gezogen. Es gibt eine bosniakisch-kroatische Föderation, die Republika Srpska und das Sondergebiet Brcko. Etwa 50 Prozent der Bevölkerung von rund 3,5 Millionen Menschen sind muslimische Bosniaken, knapp 35 Prozent orthodoxe Serben und 15 Prozent katholische Kroaten. Nur die Bosniaken wollen einen Einheitsstaat. Die Kroaten möchten sich an das benachbarte Kroatien anlehnen, die Serben wollen aber ganz raus.

Die Zentralverwaltung sitzt in Sarajevo. Ihr steht ein Staatspräsidium vor, das ein bosniakischer, ein serbischer und ein kroatischer Politiker leiten.

Wirtschaftlich steht die Republik auf schwachen Füßen. Zwar gab es in den vergangenen Jahren in Bosnien-Herzegowina Wachstumsraten von zwei bis drei Prozent, doch liegt die Arbeitslosenquote bei knapp 30 Prozent, bei jungen Leuten bei bis zu 60 Prozent.

Hauptarbeitgeber ist die überdimensionierte Verwaltung. Der Durchschnittslohn im Land ist mit 430 Euro monatlich im europäischen Vergleich einer der niedrigsten.

Hunderte Millionen Euro aus EU-Töpfen sind über Jahre ins politisch zerstrittene Bosnien-Herzegowina geflossen. 168 Millionen Euro sind es im Zeitraum 2014 bis 2017. Im Dezember vergangenen Jahres beantragte das EU-Kandidatenland die Mitgliedschaft in der EU. Milorad Dodik ficht das nicht an – er bastelt an seinem neuen Staat. Auf Unterstützung aus Belgrad wird er jedoch vergeblich warten. Dort sollen eigene EU-Ambitionen nicht gefährdet werden. Deshalb wird zähneknirschend die Kosovo-Unabhängigkeit hingenommen.

Ein aufblitzendes Großserbien würde das fragile Gleichgewicht auf dem Westbalkan kippen. Denn unter den Albanern in Albanien selbst, Mazedonien und dem Kosovo geistert ebenfalls die Vision eines Großreiches umher.

Bei den slawischen Brüdern in Russland allerdings kann Dodik mit Rückhalt rechnen: Moskau hätte gern einen festen Brückenkopf auf dem Balkan.