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Angriff in Würzburg Der Terror erreicht den Alltag

Der IS hat einen Umweg nach Europa gefunden. Die Gesellschaft darf nicht in seine Fallen tappen.

Von Alois Kösters 20.07.2016, 01:01

Würzburg l Der Amoklauf von Würzburg, bei dem ein 17-jähriger Afghane mit Axt und Messer wahllos auf Menschen losging, reiht sich ein in eine Form von Gewalttaten, die vom islamistischen Terror geprägt, aber kaum dem klassischen politischen Terror zuzurechnen ist.

Wir kennen diese Form auch in Deutschland schon länger. 2011 erschießt der 21-jährige Deutsch-Kosovare Arid U. zwei amerikanische Soldaten am Frankfurter Flughafen. Er war ein Einzeltäter. Vor Gericht bedauerte er seine Taten. Er sei von einem US-amerikanischen Anti-Kriegsfilm und islamistischer Propaganda radikalisiert worden.

Im Februar 2016 sticht eine 15-jährige Muslimin in Hannover auf einen Polizisten ein. Facebook scheint die Plattform gewesen zu sein, auf der sich ihr Weltbild immer mehr verengt hat.

Der wahnsinnige Terror des IS hat einen Umweg in den Alltag der Europäer gefunden. Auch der Täter in Nizza war ein klassischer Psychopath, der zu extremer Aggressivität neigte und sich in einer Lebenskrise befand. Kontakte mit dem IS sind bisher nicht bekannt.

Aber der islamistische Terror hat eine Eskalationsstufe erreicht, in der er kaum noch rationale Bezüge hat. Es reicht, wahllos zu töten, um sich einzureihen. Es verwundert deshalb nicht, dass auch überdurchschnittlich viele Islamisten an Psychosen leiden. Unter den Attentätern ein Großteil.

Die Verschmelzung von Terror und Wahnsinn birgt für die Gesellschaft die Gefahr, in drei Fallen zu laufen.

Der Wahnsinn von wenigen kann zu Angst und Fremdenfeindlichkeit von vielen führen. Das Angebot, seinen persönlichen Wahn mit einer großen Gemeinschaft zu verbinden und zu transzendieren, ist höchst attraktiv bei vielen Formen von Persönlichkeitsstörungen. Es bleibt als islamistischer Terror aber nur Muslimen vorbehalten. Fast immer, wenn ein Amokläufer oder eine gescheiterte narzisstische Persönlichkeit sich dieses Labels in Europa bedient hat, wird der Täter einen Migrationshintergrund haben.

Zugleich ist die Gefahr größer, dass kriegstraumatisierte Flüchtlinge, junge Menschen, die um Integration ringen oder deren Integration gescheitert ist, Psychosen entwickeln. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass es bis zum Abklingen und Ausbluten des IS-Terrors weitere Anschläge in der Art von Würzburg geben wird. Obwohl es Einzeltaten bleiben, kann ihre monströse, irre Grausamkeit weitere irrationale Ängste auslösen, die zu kollektiver Verdächtigung und Fremdenhass führen.

Die Politik muss die schon vorhandenen Ursachen zunehmender Ressentiments in der Bevölkerung sehr ernst nehmen, damit es nicht so weit kommt. Dazu gehört es auch, das Vertrauen in die staatliche Regulierung der Zuwanderung wieder herzustellen. Es würde auch helfen, wenn alle bürgerlichen Parteien sich zu den restriktiven Elementen dieser Regeln bekennen würden.

Die Taten von „lonely actors“ (einsamen Akteuren) kann niemand voraussehen. Bis zuletzt galt auch der Würzburger Täter als zurückhaltender junger Mann, der keine Beziehungen zum Radikalislamismus hatte.

Auch die Polizei in Frankreich hatte keine Chance, die Amok-Fahrt von Nizza zu verhindern. Dennoch instrumentalisieren gewissenlose Politiker in Frankreich den Anschlag. „Alles, was seit 18 Monaten hätte unternommen werden sollen, wurde unterlassen“, sagte Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy. Er sagte aber nicht, was die Regierung hätte tun sollen.

Ähnlich populistisch äußerte sich die Rechtsextreme Marine Le Pen. Mit Erfolg. Nach Nizza traut nur noch rund ein Drittel der Franzosen ihrer Regierung zu, mit dem Terror fertig zu werden. Zurecht wirft die sozialistische Regierung der Opposition vor, Frankreich zu spalten und so dem IS einen Gefallen zu tun.

Wer in einer solchen Situation nicht den Konsens aller Demokraten sucht und die gut arbeitenden Institutionen des Staates in Zweifel zieht, ist ein politischer Amokläufer.

Eine Opposition wie in Frankreich begünstigt die Überreaktion des Staates, der sich in überzogene Anti-Terror-Gesetze flüchtet, die die Bürgerrechte einschränken, aber nicht den Terror.

Nur eine starke demokratische Gesellschaft, deren Institutionen in der Krise einig sind, ist davor gewappnet, nicht in die Fallen zu tappen, die der Terrorismus ihr stellt. Das ist eine Herausforderung, die von allen im Alltag mit großer Besonnenheit gemeistert werden muss.