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Attentat Gezielter Säureangriff auf Manager?

Ein Energiemanager wird vor seinem Wohnhaus angegriffen und mit Säure übergossen. Er schwebt zeitweise gar in Lebensgefahr.

05.03.2018, 23:01

Haan (dpa) l Mozartstraße, Richard-Wagner-Weg – das ruhige Villenviertel in Haan vor den Toren Düsseldorfs gehört den Komponisten, zumindest den Straßennamen nach. Auf dem kleinen Fußweg, über den der Innogy-Energiemanager Bernhard Günther am Sonntagmorgen vom Brötchenholen gekommen war, erinnert einen Tag später nichts mehr an die schreckliche Tat. Doch wer hier als Fremder länger verweilt, steht irgendwann der Polizei gegenüber, die ihn bittet, sich auszuweisen.

Sonntagmorgen, gegen neun Uhr: Der 51-jährige Günther kommt mit frischen Brötchen vom Bäcker. Er ahnt nicht, dass er geradewegs in einen Hinterhalt läuft, als ihn zwei Unbekannte in einer Grünanlage von hinten angreifen und auf den Boden werfen. Dann hat er auch schon die ätzende Säure im Gesicht. Um welche Säure es sich handelt, verraten die Ermittler nicht: „Täterwissen.“ Die Beschreibung, dass es sich um südländisch wirkende Männer handelt, relativiert die Polizei am Montag. „Wir haben das Opfer noch nicht vernehmen können“, sagt eine Sprecherin. Es ging wohl alles sehr schnell. Zwischen 20 und 30 Jahre alt sollen die Angreifer gewesen sein.

Am Montag zeigen sich – wie zuvor schon Innogy – auch der Vorstand des Mutterkonzerns RWE sowie der Aufsichtsrat „tief erschüttert über den hinterhältigen Anschlag auf den Finanzvorstand der Innogy“. RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz erklärt: „Die unfassbare Attacke auf Bernhard Günther hat uns zutiefst getroffen. Wir alle sind bestürzt und entsetzt über die schreckliche Tat. Unsere Gedanken sind jetzt bei Bernhard und seiner Familie.“ Unterdessen erhöhen die großen Energiekonzerne nach Rücksprache mit der Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen.

Der 51-jährige Manager konnte sich noch zurück zu seinem Haus schleppen. Er schwebte zeitweise in Lebensgefahr, wurde von Helfern in Schutzanzügen behandelt und mit dem Hubschrauber in eine Spezialklinik gebracht. Einen Tag später stellt sich heraus: Günther ist nicht zum ersten Mal Opfer einer schweren Straftat geworden.

Bereits vor mehreren Jahren war er überfallen und zusammengeschlagen worden, bestätigten Polizei und Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Nun wird untersucht, ob beide Fälle zusammenhängen.

Die Ermittler stufen die Säure-Attacke als versuchten Mord ein. Am Tatort sei Spurenmaterial gefunden worden, das nun ausgewertet werde. Dass es sich bei dem Manager um ein Zufallsopfer handelt, glauben die Ermittler nicht.

Wenn der Anschlag tatsächlich dem Energiemanager galt, dürften seine Gewohnheiten zuvor ausspioniert worden sein. Zur Frage, ob die Verdächtigen ins Blickfeld einer Überwachungskamera gerieten, will sich die Polizei am Montag nicht äußern. Es kursieren mehrere Spekulationen.

Marktmanipulation: Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund wird diese Möglichkeit auch im Fall des Innogy-Managers abgeklärt, versichern die Ermittler und prüfen, ob es auffällige Finanzmarktgeschäfte gab. Immerhin stand Innogy als börsennotiertes Unternehmen kurz vor der Bilanzveröffentlichung. Sollten die Täter auf einen Kursabsturz gesetzt haben, hätten sie sich aber verkalkuliert.

Der Kurs bewegte sich am Montagmorgen leicht im Plus, und das Unternehmen versicherte, dass die Bilanz wie geplant veröffentlicht werden könne.

Politischer Anschlag: Bereits wenige Stunden nach dem Verbrechen gab es die Vermutung, politische Motive könnten hinter dem Angriff stecken. Günther war früher als RWE-Finanzvorstand indirekt auch für das umstrittene Braunkohlegeschäft des Konzerns zuständig.

Inzwischen gehört er aber der „grünen“ Sparte von RWE an. Innogy ist die Ökostrom- und Netztochter des Energiekonzerns, mit rund 41.000 Mitarbeitern erzeugt sie unter anderem Strom aus Sonne und Windkraft, ist außerdem ein führender Anbieter von Ladesäulen für Elektroautos.

Eine entsprechende Vorgeschichte wie etwa Drohungen gegen den Manager gebe es nicht, sagt eine Sprecherin der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Und ein Bekennerschreiben fand sich auch nicht.