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Entschädigung Kirche will für Sündenfälle zahlen

Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche. Eine Initiative schlägt nun vor, wie viel Geld Opfer bekommen sollten.

25.09.2019, 23:01

Fulda (dpa) l Nach jahrelangem Ringen um höhere Entschädigungen können Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche auf deutlich mehr Geld hoffen. Nachdem die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" zwei Modelle bei der laufenden Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda vorgestellt hat, wollen die Würdenträger nun über eine Weiterentwicklung des bisherigen Zahlungssystems beraten. Laut dem am Dienstag den Bischöfen unterbreiteten Vorschlag der Initiative sollen entweder pauschal 300.000 Euro pro Person gezahlt werden oder gestaffelt zwischen 40.000 und 400.000 Euro – je nach Schwere des Leids.

Wie die Bischofskonferenz sich nun verhält, ist noch unklar. "Wir haben noch über keine Summe gesprochen", sagte am Mittwoch Triers Bischof Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs. Die Bereitschaft, Veränderungen vorzunehmen, sei aber vorhanden. Es solle "zügig" gehen, sagte Ackermann, der in Fulda zusammen mit einem Vertreter des "Eckigen Tischs" vor die Medien trat.

Die bisherigen Zahlungen der katholischen Kirche sind wesentlich niedriger als der neue Vorstoß. Nach einem eingereichten Antrag sind zwischen 1000 und 15.000 Euro, im Durchschnitt 5000 Euro vorgeschlagen worden, wie die DBK erklärte. Die für den Einzelfall zuständigen Bistümer bekamen die Höhe der Summe dann als Zahlungsempfehlung genannt. Bislang haben den Angaben zufolge mehr als 2000 Menschen Anträge gestellt. Die Summe der Empfehlungen belaufe sich auf rund neun Millionen Euro, berichtete die DBK.

Die katholische Kirche hatte im September 2018 eine Studie zu sexuellem Missbrauch vorgestellt. Demnach sollen zwischen den Jahren 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben.

Der Sprecher und Mitgründer der Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, sagte, er bevorzuge Pauschalzahlungen von 300.000 Euro je Opfer. Es sei schonender und fairer, weil die Opfer nicht mehr jeden einzelnen Missbrauchsfall darlegen müssten. Zudem sei es ein beschleunigtes Verfahren. Vor allem ältere Missbrauchsopfer warteten bereits seit langem auf eine angemessene Reaktion.

Bis die Opfer womöglich höhere Leistungen bekommen "in Anerkennung des erlittenen Unrechts", wie es die Kirche in ihrem Sprachgebrauch ausdrückt, müssen aber noch zahlreiche Fragen geklärt werden. Zum Beispiel, wie finanziell vorgegangen wird und ob es eine Fonds-Lösung gibt, wie Ackermann erklärte.

Zur Höhe der geforderten Summen von 300.000 oder bis zu 400.000 Euro sagte Katsch: Es seien angemessene Entschädigungen, die nicht zu hoch gegriffen seien, wenn man bedenke, was die Missbrauchsopfer für Folgekosten, etwa durch Behandlungen und Berufsfolgen, produzierten. Auch angesichts von Milliarden-Einnahmen allein bei der Kirchensteuer seien die Beträge nicht zu hoch. Katsch schätzte, dass in Summe eine Milliarde Euro für die Opfer zur Verfügung gestellt werden müsse.

Die Initiative "Eckiger Tisch" wurde im April 2010 von Betroffenen sexualisierter Gewalt an Schulen des katholischen Jesuitenordens gegründet. Diese Betroffenen hatten nach eigenen Angaben im Januar 2010 die hundertfachen Missbrauchsfälle an katholischen Einrichtungen öffentlich gemacht. Der bewusst sperrige Name "Eckiger Tisch" wurde als provokativer Kontrapunkt zum 2010 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen "Runden Tisch Sexueller Kindesmissbrauch" gewählt, an dem die Betroffenen nicht beteiligt wurden.

Ackermann trat in Fulda Kritik entgegen, dass die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zu lange dauere: "Wir haben intensivst in den letzten Monaten gearbeitet." Doch es benötige Zeit, die Gespräche mit den Akteuren zu diversen Themen voranzubringen.