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Obama in Berlin Viel Jubel und kein Wort zu Trump

Obama mit Merkel am Brandenburger Tor - das elektrisiert Zehntausende beim Kirchentag. Der amtierende US-Präsident blieb unerwähnt.

25.05.2017, 14:08

Berlin (dpa) l Mit einem eindringlichen Appell für Freiheitsrechte und diplomatische Konfliktlösungen hat sich der frühere US-Präsident Barack Obama von seinem Nachfolger Donald Trump abgegrenzt. Den Namen des seit vier Monaten amtierenden Präsidenten erwähnte er bei dem mit Spannung erwarteten Auftritt am Donnerstag beim Evangelischen Kirchentag in Berlin jedoch nicht.

Am konkretesten wurde Obama bei einer Diskussion mit Kanzlerin Angela Merkel vor dem Brandenburger Tor, als er für die Fortsetzung seiner Gesundheitsreform "Obamacare" warb. Diese sei derzeit "insgesamt bedroht", obwohl sie schon 20 Millionen Menschen in den USA eine bessere Gesundheitsversorgung verschafft habe, sagte er vor Zehntausenden Zuhörern. Trump will die Reform zurückdrehen, stößt dabei aber auf erhebliche Widerstände.

Merkel wollte wenige Stunden nach ihrem Auftritt beim Kirchentag nach Brüssel zum Nato-Treffen reisen, wo sie zum zweiten Mal auf Trump treffen sollte. Obama lobte die Kanzlerin, sie habe "hervorragende Arbeit geleistet, nicht nur hier in Deutschland, sondern in der ganzen Welt". Merkel sei ihm während seiner vor vier Monaten beendeten Präsidentschaft "eine der liebsten Partnerinnen" gewesen.

Der Ex-Präsident rief dazu auf, sich klar gegen Fremdenhass, Nationalismus und antidemokratische Strömungen einzusetzen. "Die Weltordnung befindet sich am Scheideweg." Es sei das Wichtigste, sich hinter die Werte zu stellen, die "uns am wichtigsten sind", und sich gegen jene zu stellen, die diese Werte zurückdrängten. "Ich denke, das ist eine wichtige Schlacht, die wir austragen müssen", sagte Obama. Für Konfliktfälle empfahl er die Mittel der Diplomatie – es könne nicht sein, das Heil "nur in militärischer Hardware" zu suchen.

Merkel verteidigte in der Debatte ihren zuletzt restriktiveren Kurs in der Asylpolitik. Sie wies zugleich auf das "Dilemma" der Kluft zwischen christlichem Mitgefühl und Realpolitik hin. Angesichts vieler Flüchtlinge ohne Bleiberecht in Deutschland gelte es, schnell Asyl-Entscheidungen zu treffen und solche Migranten gar nicht erst in Gemeinden und zu den ehrenamtlichen Helfern zu schicken. "Ich weiß, dass ich mich damit nicht beliebt mache", sagte die CDU-Politikerin.

Sie betonte: "Wir versuchen, sachgerechte Lösungen zu finden." Die deutsche Asylpolitik müsse sich auf diejenigen Menschen in der Welt konzentrieren, die dringend Hilfe brauchten. Davon gebe es immer noch genug.

Obama pflichtete Merkel bei: Als Staats- oder Regierungschef gelte es zwar, "Barmherzigkeit" gegenüber Flüchtlingen zu zeigen, aber es gebe auch eine Verpflichtung gegenüber der eigenen Bevölkerung. "Das ist nicht immer einfach", sagte er. Merkel und Obama waren sich auch einig, dass es in der Flüchtlingspolitik vor allem wichtig sei, Hilfe vor Ort in den Fluchtländern zu leisten und "Menschenhändlern" das Handwerk zu legen.

Auf seine Gesundheitsreform sei er "sehr stolz", sagte Obama in Abgrenzung zu Trump. "Wir haben einen neuen Standard gesetzt." Er habe sich "als Staffelläufer gesehen als Präsident. Und ich habe meinen Teil des Rennens absolviert, und jetzt habe ich den Stab übergeben an den nächsten Läufer."

Erst am Mittwoch hatte der Versuch Trumps, die Reform zu demontieren, einen Rückschlag erlitten. Die parlamentarische Prüfbehörde CBO erklärte, der zur Debatte stehende und inzwischen vom Repräsentantenhaus angenommene Vorschlag würde bis 2026 rund 23 Millionen Amerikanern die Krankenversicherung kosten.

In der tiefen Religiosität vieler Amerikaner sieht Obama nicht nur Gutes. "Das Problem ist, dass wir manchmal Kompromisslosigkeit in Glaubensfragen in die Politik tragen. In der Demokratie ist Kompromiss unumgänglich." Es sei wichtig, auch andere Meinungen zuzulassen – das sei die wahre Stärke des Glaubens. "Ich denke, dass es immer gut ist, auch ein bisschen zu zweifeln", sagte Obama.

Der Ex-Präsident verteidigte den Drohneneinsatz im Kampf gegen Terroristen, räumte aber auch ein: "Manchmal haben meine Entscheidungen zum Tod von Zivilisten geführt, weil es Fehler gab. Aber es gab keine anderen Wege, um an Terroristen zu kommen." Das US-Drohnenprogramm war ein zentraler Teil der Anti-Terror-Strategie Obamas. Er ordnete Luftangriffe unter anderem in Afghanistan und Syrien, Pakistan, Jemen, Libyen, Somalia und möglicherweise auch anderen Orten an.