Prozess Eklat um Steinewerfer

Ein Betonbrocken auf der Straße: Das Auto einer Familie prallt dagegen. Vier Menschen werden beinahe getötet. Beim Prozess folgt ein Eklat.

16.03.2017, 23:01

Ellwangen (dpa) l Vor dem Landgericht Ellwangen muss sich seit Donnerstag ein 37-Jähriger wegen versuchten Mordes verantworten. Von einer Brücke der Autobahn 7 habe er in der Dunkelheit am 25. September 2016 einen zwölf Kilogramm schweren Betonpflasterstein auf die Autobahn 7 geworfen – in der klaren Absicht, Menschen zu töten, wie die Staatsanwaltschaft erklärt.

Die vierköpfige Familie Öztürk aus Laupheim (Kreis Biberach) ist auf dem Heimweg von einer Hochzeit, als ihr Wagen gegen 1.30 Uhr gegen den Betonstein prallt und sich mehrfach überschlägt. Mutter Deniz (26), Vater Serdal (33), die Tochter (6) sowie der Sohn (5) werden bei dem Unfall auf der A7 nahe Heidenheim schwer verletzt. Bis heute leiden sie an den Folgen, den körperlichen wie den seelischen, besonders die Mutter. Aber Serdal und Deniz Öztürk erfahren auch, dass Nachbarn, Freunde und unzählige andere Menschen in ihrer Heimatstadt Laupheim sie in dieser schweren Zeit nicht allein lassen.

Deniz Öztürks Verletzungen waren so schwer, dass nach einer Schädel-Basis-Fraktur mit Hirnbluten und einer Halswirbelfraktur eine Querschnittslähmung drohte. Zudem mussten ihr der rechte Unterschenkel amputiert werden. Sie sitzt im Rollstuhl, ist teils gelähmt und kann ihre Notdurft nicht ohne Hilfe verrichten. „Es war klar, dass die Familie nun nicht mehr im Haus von Serdals Eltern mit all den Treppen leben kann. Wenn Deniz nach der Rehabilitation aus dem Krankenhaus entlassen wird, braucht sie mit ihrem Rollstuhl barrierefreien Wohnraum“, sagt ein Freund der Familie. Bislang seien deutlich mehr als 35 000 Euro an Spenden zusammengekommen.

Was für ein Kontrast zum Geschehen am Donnerstag im Gerichtssaal: Als Serdal Öztürk mit seiner Zeugenaussage beginnt und schildert, wie er den Unfall erlebt hat („Es gab einen Knall, die Airbags gingen auf und ich dachte, dass überlebe ich nicht.“), fällt ihm der Angeklagte wutschnaubend ins Wort. Er will aufspringen, wird aber durch seine Fußfesseln daran gehindert, und ruft, er werde sich eine Schusswaffe besorgen, sobald er wieder frei sei. Und er droht Serdal Öztürk damit, dass er eine Nahkampfausbildung habe.

Der Eklat im Gerichtssaal lässt ahnen, dass dies alles andere als ein leichtes Verfahren wird. Kurz vor Ostern soll das Urteil gefällt werden. Möglicherweise werden viele Menschen es als milde empfinden. Vielleicht wird es trotz der Anklage wegen versuchten Mordes sowie wegen illegalen Waffenbesitzes – der Angeschuldigte hatte mehrere Schusswaffen in einem Versteck gehortet – keine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe geben. Der Angeklagte habe die Tat zwar gestanden, wenngleich er Angaben zu einem Motiv verweigere, erklärte der Oberstaatsanwalt.

Einem psychiatrischen Gutachten zufolge sei „die Steuerungsfähigkeit des Angeschuldigten zur Tatzeit wegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit erheblich vermindert“ gewesen.

Dennoch geht die Anklagevertretung davon aus, dass der Mann „zumindest eingeschränkt schuldfähig“ war, Ziel ist eine Verurteilung. Das Gesetz sehe die Möglichkeit einer Strafmilderung vor. Möglich wäre ebenso die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.