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Razzia Polizei zerschlägt Salafisten-Ring

Mit einer bundesweiten Razzia bereitet die Polizei der größten Propaganda-Show der Salafisten in Deutschland ein Ende.

Von Frank Christiansen 15.11.2016, 23:01

Pulheim (dpa) l In der Dunkelheit nähert sich eine Kolonne von Polizei-Transportern ohne Blaulicht Dienstagfrüh einem Bauernhof in Pulheim nördlich von Köln. Hier ist in einer großen Halle das Zentrallager des Vereins „Die wahre Religion“ untergebracht. Von hier kam der Nachschub für die bundesweiten „Lies!“-Aktionen islamistischer Koran-Verteiler in den Fußgängerzonen deutscher Städte.

In der Halle sind die Bücher, um die es geht, meterhoch und tausendfach auf Paletten gestapelt. Etwa 25 000 Koran-Exemplare werden am Dienstag beschlagnahmt. 3000 Aktivisten sollen nach Angaben des Vereins in den vergangenen Jahren bereits mehr als drei Millionen Bücher in Deutschland verteilt haben. „Lies!“ war die größte und aufwendigste Werbeaktion von Islamisten in Deutschland. Ihre Kosten werden auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Als Initiator gilt der bereits wegen Sozialhilfebetrugs verurteilte Ibrahim Abou-Nagie. Der gebürtige Palästinenser soll sich derzeit in Malaysia aufhalten. Über mögliche Verhaftungen von Drahtziehern oder weiteren Menschen im Visier der Ermittler machte die Polizei gestern keine Angaben. 100 Mitglieder soll die Organisation haben.

„Heute ist nicht der Koran verboten worden“, betont NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) – „aber die führende Organisation für die Rekrutierung von Kämpfern für den Dschihad“. Vielleicht finde man nun auch heraus, woher die enormen Geldsummen stammen, über die die Salafisten verfügten. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, in allen westlichen Bundesländern – ausgenommen das Saarland – sowie in Berlin rückt die Polizei im Morgengrauen aus, um das seit Dienstag geltende Verbot der Salafisten-Organisation durchzusetzen. Insgesamt werden rund 190 Wohnungen, Büros und andere Gebäude durchsucht, das Vereinsvermögen wird beschlagnahmt.

Rund 140 junge Menschen sollen von den Extremisten bereits für den Dschihad rekrutiert worden sein. Im Kinderzimmer des Jugendlichen, der gestanden hatte, die Bombe am Sikh-Gebetshaus in Essen gelegt zu haben, fanden sich übrig gebliebene Koranexemplare der „Lies!“-Aktion. Jahrelang war den Hintermännern aber nichts nachzuweisen, konnten sie unter dem Schutz der Religionsfreiheit agieren. Doch die Behörden sammelten verdeckt „harte Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der Organisation“, wie der NRW-Innenminister sagt. Sie würden einer gerichtlichen Prüfung standhalten.