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Rente Frische Milliarden gegen Altersarmut?

Die Renten werden weiter zulegen. Doch die Ruheständler müssen mit einem sinkenden Rentenniveau zurechtkommen.

17.04.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Es hört sich beruhigend an für die 21 Millionen Rentner in Deutschland. 1,9 Prozent höhere Bezüge gibt es ab 1. Juli im Westen, um 3,6 Prozent steigen die Renten sogar im Osten. Bis 2030 rechnet die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) mit ähnlichen Steigerungen pro Jahr, nämlich zwei Prozent im Schnitt. Das Rentenniveau liegt dank guter Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes bei 48 Prozent, der Beitragssatz zur Rentenversicherung bei 18,7 Prozent vom Brutto.

Dennoch macht die Entwicklung der Renten in den kommenden Jahrzehnten immer mehr Menschen Sorgen - für Millionen sollen die Bezüge allen Prognosen zufolge nicht reichen. Deshalb will die SPD unter ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz im Wahlkampf für eine deutliche Aufbesserung der Rente trommeln. Doch eines ist klar: Dafür wäre frisches Geld in Milliardenhöhe nötig.

Verdi-Chef Frank Bsirske rechnet im Gespräch mit der dpa vor: Würde heute schon das zulässige Mindestrentenniveau für 2030 von 43 Prozent gelten, hätte jemand, der sein Arbeitsleben lang 2500 Euro im Monat verdient hat, nach 40 Beitragsjahren einen monatlichen Rentenanspruch von 809 Euro. Das liegt gerade mal 15 Euro über der Grundsicherung von derzeit 794 Euro.

Das Rentenniveau ist das Verhältnis der Standardrente nach 45 Jahren Arbeit zum aktuellen durchschnittlichen Bruttoeinkommen. Das liegt derzeit bei 3000 Euro im Monat. Bsirske sagt, mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer kämen nicht einmal auf die 2500 Euro im Monat und viele erreichen auch keine 40 Beitragsjahre. Millionen wären also im Alter von Armut bedroht.

Die Präsidentin der DRV-Bund, Gundula Roßbach, versucht zu beruhigen: „Die erreichte Rente sinkt nicht. Das ist gesetzlich ausgeschlossen“, sagt sie. „Aber in der Zukunft gibt es einen geringeren Anstieg der Renten als der Löhne.“ Das Rentenniveau sinkt also.

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will den Bürgern mit ihrer „doppelten Haltelinie“ bis 2045 ein Rentenniveau von mindestens 46 Prozent garantieren. Der Beitragssatz soll bis dahin nicht über 25 Prozent steigen.

Das alles sei aber nicht zum Nulltarif zu haben, so Nahles Ende vergangenen Jahres bei der Vorstellung ihrer Langzeitprognose. Nach ihren Vorstellungen soll ab 2030 ein Demografiezuschuss aus Steuermitteln eingeführt werden, der bis 2040 auf 2,5 Prozent der Rentenausgaben anwachsen soll. Nach Bsirskes Berechnungen wäre ab den 2040er Jahren ein zusätzlicher Bundeszuschuss zur Rente von 10 bis 20 Milliarden Euro nötig.

Nahles und Bsirske sehen hier den Steuerzahler in der Pflicht. Doch schon bei der Ost-Westangleichung der Renten bis 2025 und der Mütterrente zeigte sich, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf dem Geld sitzt. Deswegen wird für solche eigentlich gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, für die der Steuerzahler aufkommen müsste, zuallererst in die Rentenkasse gegriffen, solange sie prall gefüllt ist.

Die Rentenversicherung konnte dank guter Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen Jahren trotz reduzierter Beiträge und real deutlich steigender Renten ein unerwartet gutes Rücklagenpolster von mehr als 30 Milliarden Euro aufbauen. Doch die DRV-Bund warnte schon Ende vergangenen Jahres, dass die Rentenversicherung wieder Defizite einfahre, Tendenz steigend. Bis 2021 könnte das üppige Finanzpolster sogar auf die gesetzliche Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben oder knapp vier Milliarden Euro schmelzen, hieß es.

Wenn diese Entwicklung in der Rentenkasse auch in der nächsten Wahlperiode von 2017 bis 2021 anhält, könnten die Rentenbeiträge schneller steigen, als es freundliche Prognosen bisher annehmen.