SPD und Hartz IV Auf Anti-Schröder-Kurs

SPD-Chefin Nahles fordert weitere Korrekturen an den Arbeitsmarktreformen des früheren Kanzlers Schröder und provoziert die Union.

19.08.2018, 23:01

Berlin l Die SPD will Sanktionen gegen jüngere Hartz-IV-Empfänger abschaffen. Zudem plädiert sie für eine Ausweitung des Schutzes durch die Arbeitslosenversicherung.

„Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sollten abgeschafft werden“, sagte Nahles den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Wochenende. „Wie wirken denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv! Die melden sich nie wieder im Jobcenter, um einen Ausbildungsplatz zu suchen. Ergebnis sind ungelernte junge Erwachsene, die wir nicht mehr erreichen.“

Der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe, lehnte den Vorstoß ab. „Zur Unterstützung durch Hartz IV gehören eben auch Mitwirkungspflichten mit dem Ziel, wieder Arbeit zu finden“, sagte er. Das sei gerade bei jungen Arbeitslosen wichtig. „Eine Mitwirkungspflicht steht jedoch nur auf dem Papier, wenn es keine Möglichkeit gibt, bei Verweigerung auch Leistungen zu kürzen.“

Junge Hartz-IV-Empfänger können bei Verstößen gegen die Regeln härter bestraft werden als ältere. Schon beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, kann ihnen die gesamte Leistung gesperrt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) macht sich schon länger dafür stark, dies zu ändern.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linke begrüßten Nahles‘ Äußerung. „Das geht in die richtige Richtung. Allerdings sollten Sanktionen generell abgeschafft werden. Sie drücken Menschen in extreme Notlagen und spielen den Arbeitgebern in die Hände, die mit prekärer und schlecht bezahlter Arbeit Gewinne machen“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann den Funke-Blättern. Ähnlich äußerte sich dort Linksfraktionschef Dietmar Bartsch.

Nahles wünscht sich darüber hinaus weitere Korrekturen. „Ich bin zum Beispiel dafür, den Schutz durch die Arbeitslosenversicherung zu verbreitern und zu verlängern“, sagte die SPD-Chefin. „Es kann auch nicht sein, dass Familien mit Kindern dauerhaft auf Grundsicherung angewiesen sind. All das diskutieren wir.“

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I), das anders als Hartz IV aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt wird, war im Zuge der Arbeitsmarktreformen deutlich gekürzt worden. Heute gilt: Nach einem Jahr Beschäftigung gibt es 6 Monate ALG I, nach zwei Jahren 12 Monate. Ab einem Alter von 50 Jahren können Erwerbslose bei längeren Beschäftigungszeiten 15 bis maximal 24 Monate (ab 58 Jahren) ALG I erhalten. Es beträgt 60 Prozent des im letzten Jahr vor der Arbeitslosigkeit verdienten Nettogehalts, mit einem Kind 67 Prozent.

Auf die Forderung des nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbands, Hartz IV komplett abzuschaffen, reagierte Nahles zurückhaltend: Der Beitrag „fließt ein in die Debatten, die wir jetzt führen“.(dpa)